Siebente Szene


[297] Der König, der Prinz und der Graf treten ein.


DER KÖNIG. Wilhelmine, Ihr Vater wünscht Ihnen Glück! Und da Sie auf den Diamant, den Sie vermißten, einigen Wert zu legen schienen, so haben wir uns Mühe gegeben, ihn wieder herbeizuschaffen. Hier ist er!

DIE PRINZESSIN erschüttert. Der Diamant! Sie erfaßt ihn. Er ists! Sie steht starr. Wo bin ich? Was ist Wahrheit? Ich rede! Mein Ohr vernimmt die Worte meines Mundes! Sie sieht von ungefähr in den Spiegel. Ich sehe mein Bild! Wo sind die Flügel?

DER GRAF. Mir schwindelt. Nun gilts.

DER PRINZ legt die Hand an den Degen. Ich bin gefaßt!

DER GRAF. Gnädigster Herr! Für sich. Hätte ich diese unselige Verbindung doch nie betrieben! Verflucht die Stunde, wo ich sie zuerst anregte!

DER KÖNIG zur Prinzessin, kalt und gemessen. In verstümmelter Soldat, krank, wahrscheinlich zugleich wahnsinnig, hat sich in den Hofgarten zu schleichen gewußt, er hat die Ohnmacht, in die Sie fielen, weil die unheimliche Erscheinung, die so plötzlich vor ihnen stand, Sie erschreckte, benutzt und den Stein geraubt. Von ihm ist der Stein dann an einen gemeinen Bauer gekommen; dieser Bauer steht draußen. Alles ist klar, und wenn Ihnen durch die Enthüllung ein Dienst geschah, so haben Sie dem Prinzen dafür zu danken![297]

DIE PRINZESSIN. Dem Prinzen! Sie wirft sich wieder auf die Ottomane und bedeckt ihr Gesicht mit den Händen.

DER KÖNIG zum Prinzen. Sie errötet, sie ist wieder Weib, wir haben gesiegt! Er gibt einem Kavalier einen Befehl, der Kavalier spricht mit einem Bedienten, der Bediente geht ab.

DIE PRINZESSIN sich plötzlich wieder erhebend. Entweicht! Ihr seid Schatten! O, ich weiß! Nun liegt Ihr auf Erden in dumpfem Schlaf, und Euer Seelen drängen sich als dunkle Phantome in den Lichtkreis hinein, dem sie noch nicht angehören, und suchen die vorangegangenen seligen Geister zu verwirren und zu betören. Laßt ab von mir, oder wenn Euch verlangt, um mich zu sein, so habt den Mut, zu sterben, dann sind wir auf ewig vereint!

DER PRINZ. Alles ist aus! Er zieht den Degen gegen sich selbst. Ich habe den Mut!

DIE PRINZESSIN. Ferdinand! Ferdinand! Sie verhindert ihn. Warum tu ich dies? Warum schaudert mir? Gott! Gott! Einen Strahl! Um mich und in mir ist Nacht! Sie ergreift den Diamant und blickt ihn starr an.

DER KÖNIG. Faß dich, Kind, du warst krank, aber sobald du dies einsiehst, bist du gesund!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 297-298.
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