2.

[289] Liegt Einer schwer gefangen

In öder Kerkernacht,

So tödt' er das Verlangen

Nach Freiheit, wenn's erwacht.

Wenn auch sein ernstes Streben

Zuletzt das Ziel erringt,

Wer giebt ihm Muth und Leben

Zurück, die es verschlingt?


Tritt er hinaus in's Freie

Und fühlt sich ganz zerstört,

Das frägt er sich mit Reue,

Warum er sich empört.

Und stärker, immer stärker,

Wird er sein eig'ner Feind,

Bis ihm zuletzt sein Kerker

Als seine Welt erscheint.


Wie der Gedank' auch brenne,

Doch wünsch' ich, menschlich-mild,

Daß Keiner sich erkenne

In diesem dunklen Bild.

Die eig'ne Qual wird's dämpfen,

Wenn ihr es immer wißt,

Welch Leben dieß mein Kämpfen

Um eine Grabschrift ist.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 289.
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