Die Äbtissin
Die Äbtissin

[571] ÄBTISSIN.

Daher kam's eben, daß er rasend ward.

Der gift'ge Lärm der eifersücht'gen Frau

Vergiftet mehr als toller Hunde Zahn.

Du hindertest durch Schelten seinen Schlaf,

Und davon hat sich sein Gehirn entzündet.

Mit deinem Tadel würztest du sein Mahl;

Gestörte Mahlzeit hindert das Verdaun,

Und daher rührt des Fiebers Raserei.

Denn was ist Fieber als ein Wahnsinnshauch?

Du störtest stets mit Schelten sein Ergötzen;

Erholung, die so süße! was wird draus,

Versperrt man ihr die Tür? Melancholie,

Die Blutsfreundin untröstlicher Verzweiflung,

Und hinter ihr ein ungeheures Heer

Von bleichen Kränklichkeiten, Lebensfeinden!

Beim Mahl, im Scherz, bei lebensnähr'nder Ruh'[571]

Gestöret stets, muß Mensch und Tier verrücken,

Und daraus folgt: vor deiner Eifersucht

Ergriff der Witz des Gatten hier die Flucht.


Die Irrungen (Akt V, Szene I)

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 21972, S. 571-572.
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