Olivia
Olivia

[568] VIOLA.

Liebes Fräulein, laßt mich Euer Gesicht sehn.


OLIVIA.

Habt Ihr irgendeinen Auftrag von Eurem Herrn, mit meinem Gesicht zu verhandeln? Jetzt seid Ihr aus Eurem Text gekommen. Doch will ich den Vorhang wegziehn und Euch das Gemälde weisen. Sie entschleiert sich. Seht, Herr, so sah ich in diesem Augenblick aus. Ist die Arbeit nicht gut?


VIOLA.

Vortrefflich, wenn sie Gott allein gemacht hat.


OLIVIA.

Es ist echte Farbe, Herr; es hält Wind und Wetter aus.


VIOLA.

's ist reine Schönheit, deren Rot und Weiß

Natur mit zarter, schlauer Hand verschmelzte.

Fräulein, Ihr seid die Grausamste, die lebt,

Wenn Ihr zum Grabe diese Reize tragt,

Und laßt der Welt kein Abbild.


Heilige-Drei-Königs-Abend (Akt I, Szene V)

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 21972, S. 568.
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