Viola
Viola

[568] VIOLA.

Mein Vater hatt eine Tochter, welche liebte,

Wie ich vielleicht, wär ich ein Weib, mein Fürst,

Euch lieben würde.


HERZOG.

Was war ihr Lebenslauf?[568]

VIOLA.

Ein leeres Blatt,

Mein Fürst. Sie sagte ihre Liebe nie

Und ließ Verheimlichung, wie in der Knospe

Den Wurm, an ihrer Purpurwange nagen.

Sich härmend und in bleicher welker Schwermut

Saß sie wie die Geduld auf einer Gruft,

Dem Grame lächelnd. Sagt, war das nicht Liebe?

Wir Männer mögen leicht mehr sprechen, schwören,

Doch der Verheißung steht der Wille nach.

Wir sind in Schwüren stark, doch in der Liebe schwach.


HERZOG.

Starb deine Schwester denn an ihrer Liebe?


VIOLA.

Ich bin, was aus des Vaters Haus von Töchtern

Und auch von Brüdern blieb – – –


Heilige-Drei-Königs-Abend (Akt II, Szene IV)

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 5, Berlin und Weimar 21972, S. 568-569.
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