6.

[106] Als ich, auf der Reise, zufällig

Der Liebsten Familie fand,

Schwesterchen, Vater und Mutter,

Sie haben mich freudig erkannt.


Sie fragten nach meinem Befinden,

Und sagten selber sogleich:

Ich hätte mich gar nicht verändert,

Nur mein Gesicht sei bleich.


Ich fragte nach Muhmen und Basen,

Nach manchem langweil'gen Gesell'n,

Und nach dem kleinen Hündchen

Mit seinem sanften Bell'n.
[106]

Auch nach der vermählten Geliebten

Fragte ich nebenbei;

Und freundlich gab man zur Antwort:

Daß sie in den Wochen sei.


Und freundlich gratuliert ich,

Und lispelte liebevoll:

Daß man sie von mir recht herzlich

Vieltausendmal grüßen soll.


Schwesterchen rief dazwischen:

»Das Hündchen, sanft und klein,

Ist groß und toll geworden,

Und ward ertränkt, im Rhein.«


Die Kleine gleicht der Geliebten,

Besonders wenn sie lacht;

Sie hat dieselben Augen,

Die mich so elend gemacht.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 106-107.
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