3.

[160] In dem Schloß zu Alkolea

Ist verschollen Lust und Klingen,

Herrn und Damen sind verschwunden,

Und erloschen sind die Lichter.


Doña Clara und Almansor

Sind allein im Saal geblieben;

Einsam streut die letzte Lampe

Über beide ihren Schimmer.


Auf dem Sessel sitzt die Dame,

Auf dem Schemel sitzt der Ritter,

Und sein Haupt, das schlummermüde,

Ruht auf den geliebten Knien.


Rosenöl aus goldnem Fläschchen

Gießt die Dame, sorgsam sinnend,

Auf Almansors braune Locken –

Und er seufzt aus Herzenstiefe.
[160]

Süßen Kuß, mit sanftem Munde,

Drückt die Dame, sorgsam sinnend,

Auf Almansors braune Locken –

Und es wölkt sich seine Stirne.


Tränenflut aus lichten Augen

Weint die Dame, sorgsam sinnend,

Auf Almansors braune Locken –

Und es zuckt um seine Lippen.


Und er träumt: er stehe wieder,

Tief das Haupt gebeugt und triefend,

In dem Dome zu Corduva,

Und er hört viel dunkle Stimmen.


All die hohen Riesensäulen

Hört er murmeln unmutgrimmig,

Länger wollen sie's nicht tragen,

Und sie wanken und sie zitttern; –


Und sie brechen wild zusammen,

Es erbleichen Volk und Priester,

Krachend stürzt herab die Kuppel,

Und die Christengötter wimmern.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 160-161.
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