9.

[219] »Im Anfang war die Nachtigall

Und sang das Wort: Züküht! Züküht!

Und wie sie sang, sproß überall

Grüngras, Violen, Apfelblüt'.


Sie biß sich in die Brust, da floß

Ihr rotes Blut, und aus dem Blut

Ein schöner Rosenbaum entsproß;

Dem singt sie ihre Liebesglut.


Uns Vögel all' in diesem Wald

Versöhnt das Blut aus jener Wund';

Doch wenn das Rosenlied verhallt,

Geht auch der ganze Wald zugrund'.«


So spricht zu seinem Spätzelein

Im Eichennest der alte Spatz;

Die Spätzin piepet manchmal drein,

Sie hockt auf ihrem Ehrenplatz.


Sie ist ein häuslich gutes Weib

Und brütet brav und schmollet nicht;

Der Alte gibt zum Zeitvertreib

Den Kindern Glaubensunterricht.[219]

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 219-220.
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