Scena quinta.

[712] Syluester. Vincentius Ladißlaus, vnd die Diener etc.


VINCENTIUS LADISZLAUS.

Gnediger Herr, wir könn mit nichtn

Ewr Gnaden etwas zuberichtn

Vmbgehn vnd vnterwegen lan,

Vnd in geheim solchs zeigen an:

Bitten derhalb sie woll vns hörn,

Vnd das die Dienr vns nicht verstörn,

Woll sie Ewr Gnadn laßn gehn hinein,

Weil es geheime sachen sein.

SYLUESTER.

Ihr Diener tret ein wenig ab

Weil ich etwas zuschaffen hab.

VINCENTIUS LADISZLAUS.

Gnediger Herr das ist vnser bericht,

Wir könn es vnterlassen nicht,

Aus grosser angst, qual, martr vnd pein,

Darinnen wir jtzunder sein,

So wir in vnserm hertzen tragn,

Ewr Gnadn zu offenbahrn vnd klagn,

Solch vnser groß vnd hoch anliegn,

Welchs wir nicht können haltn verschwiegn,[712]

Das wir aus angeborner trew,

Vnd eingepflantzter Lieb dabey,

Gegn der schönen Angelica,

Die jtzt hier hat gesessen da,

Mit vnserm Hertzn also dermassn,

In Lieb entbrandt vnd eingelassn,

Das wir auch auff der gantzen Erdn,

Kein andere begehren werdn,

Zum Ehegemahl vnd Bettgenossn,

Das sie mit vns leb vnuerdrossn,

Als ebn dieselb Angelica.

Vnd weil wir haben jtzt allda,

So viel aus jhrn Geberden fein,

Vermercket, die gar zierlich sein,

Das sie wegn vnsr Geschickligkeit,

Erfahrenheit, vnd auch Schönheit,

Zu vns vnd auff vns hab gefast,

Der Lieb ein sonderliche Last,

Vnd auch ein Aug auff vns geworffn,

Das wir ewr Gnadn wol sagen dorffn,

Dieweil dann hier ewr Gnaden nun,

In diesen Sachn viel guts könn thun,

Als wolln wir diese bitt anbringn,

Das vns die Heyrath mög gelingn,

Sie wollen es zu Wercke richtn,

Vnd solchs zum guten ende schlichtn,

Denn solte solches nicht geschehn,

So müstn wir sterben vnd vergehn,

Vor angst, trawren, vnd Hertzenleid,

Da sey Gott vor in ewigkeit.

SYLUESTER.

Ich habs wol gmerckt, es ist nicht ohn,

An allen jhrn Geberden schon,

Das sie euch must lieb haben ebn,

Denn ich hab achtung darauff gebn,

Das sie auff ewr wort fleissig hört,

Vnd sich sonsten an nichts nit kehrt,

Insonderheit zu vielen mahln,[713]

Hat sie ein vberauß grossn gefalln,

An ewrem springn vnd tantzen fein,

Das michs wol dünckt im sinne mein,

Die Heyrath euch zu weg zu bringn,

Ich wil abr erstlich von den dingn,

Mich vnterredn mit meinm Gemahl:

Abr mir ist leide auff den fall,

Die Jungfraw werd mir gleuben nicht,

Wo sie nicht jrgndt ein zeichen sicht,

Darumb so müst jhr mir eins gebn,

Das sie sich darnach richte ebn,

Vnd ichs jhr weiß, vnd nehms mit mir,

Sonst meint sie wol ich spottet jhr.

VINCENTIUS LADISZLAUS.

O von der red wirdt vnser Hertz

Dermassn erfrewt, brindt wie ein Kertz,

Das wann vns einr gut Bottschafft brecht,

Es vns aus dem Leib springen möcht,

Vnd bittn Ewr Gnaden nochmals nun,

Sie wollen doch das beste thun,

Vnd wolln zum Zeichen vnd beding,

Ir verehrn diesen güldnen Ring.


Gibt jm den Ring.


SYLUESTER.

Nu ich wils außrichten mit fleiß,

Wie ichs am aller besten weiß,

Geht jr in meinn Marstall dieweil,

Vnd beseht allda meine Geul,

Ich wil euch bald in kurtzer zeit,

Vermöglich sagen gutn bescheidt.


Vincentius gibt dem Hertzog mit grosser Ehrerbietung die Hand, vnd der Hertzog gehet abe.


Quelle:
Herzog Heinrich Julius von Braunschweig: Die Schauspiele. Stuttgart 1855, S. 712-714.
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