19.

[112] Und Liliensinn soll meinen Kampf verklären,

Denn Kampf wird währen, bis die Flamme loht,

Darin dereinst sich wieder wird gebären

Geheimnisvoll das Leben durch den Tod.

Mich treibt ein Geist aus freiern Liebessphären,

Der liegt in Fehde mit dem Geist der Not

Und wirft, bis sich verwandeln diese Züge,

Den Handschuh hin der Knechtschaft und der Lüge.


Viel kleine Götzen sind die Abgesandten

Der großen Götzen Lüge, Knechtschaft, Not,

Ein Schwarm von festverhäkelten Verwandten,

Gebrütet von der Nacht, gezeugt vom Kot.

Das sind die ewig aus dem Licht Verbannten,

Verräter Gottes gleich Ischariot –

Die Riesenwanzen, die der Sterne besten

Mit ihrem gräulichen Gestank verpesten.


Sinnbild für Unergründliches wird dauern,

Solang der Mensch sich weltgebunden fühlt,

Du mußt vor dem Unendlichen erschauern

Und wirst vom Rätsel grüblerisch durchwühlt.

Erkenntnis stößt an nie erklommne Mauern,

Nie wird der Brand der Sehnenden gekühlt,

Der tiefer brennt als aller Weisen Wissen,

Bis er verlischt in fahlen Finsternissen.
[113]

Und ewig werden arme Seelen jammern

Nach reichen Gütern, die unsterblich sind,

Und bis die Erde geht aus ihren Klammern,

Wird Himmel baun das schwache Menschenkind.

Den Weltbejublern und den Weltverdammern

Wird vor dem einen Punkt die Brille blind,

Sie müssen Fluch und Segen unterlassen

Und schweigend nehmen, was sie nicht erfassen.


Den schlichten Glauben will ich nicht verhöhnen,

Der sich am halben Wissen schlecht genügt,

Nie sprengt die Pforten auf des Zweiflers Stöhnen,

Bis er verzichtet und sich ruhig fügt ...

Doch Blitz und Donner sollen niederdröhnen

Auf eine Kirche, die das Volk belügt

Und sich samt Oberhaupt und Priesteranden

Stets auf Betrug der Menschheit hat verstanden!


Mit Fälschung aufgesäugt von Anbeginne,

Seit Konstantins erlognem Schenkungsakt

Von Sucht nach Herrschaft schwanger und Gewinne,

Fett mästend sich mit allem, was sie packt,

Hat sich die ungeheure schwarze Spinne

Mit Blut »der dummen Bauern« vollgesackt

Und spannt die schlauverknüpften Riesennetze,

Nach Beute lüstern wie die frömmste Metze.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 112-114.
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