5.

[87] Ist wahres Liebesglück denn Sturm der Sinne?

O nein! Im Sturme der Zusammenklang

Vermählter Seelen, die zu starker Minne

Der Sehnsuchtsruf der Geisterwelt durchdrang.

Die Liebe schaut von morgenreiner Zinne

In Gärten voller Blumen und Gesang:

Die Blumen himmelstauerquickt – Gesänge,

Wie wenn ein Kinderchor zum Licht sich schwänge.


Wenn ich der Liebe keinen Hymnus schenkte,

Ich wär' ein heillos undankbarer Mann,

Der ich mit ihr mein Leben ordnend lenkte,

Das ohne sie vielleicht zu nichts zerrann.

Wohl mir, daß ich aus dunklem Trieb versenkte

Mich in den ungeheuren Seelenbann,

Darin ich meinen aufgewühlten Geistern

Den Kraftpunkt gab, sich sammelnd zu bemeistern.


Erst war's ein Stoß und dann ein zweifelnd Schwanken,

Ein pendelnd Werben, Flucht und zögernd Nahn,

Ein wiederkehrend Treiben der Gedanken

Auf sonnenkreisender Planetenbahn.

Irrsterne rannten schreckend in die Flanken

Dem Lichtkern, den sie fest sich bilden sahn.

Er wuchs und wuchs, trotz allem Widerstande,

Mit Venus-Jupiter im Schutzverbande.
[88]

Und so geschah's, daß sich der Ring geschlossen,

Der mir ein Ring des neuen Lebens war,

Ein goldiger Lichtstrom hat sich ausgegossen

Auf mein Gemüt, das schon des Schimmers bar.

Ich habe reine Seligkeit genossen

Und sah des Glückes Himmel tief und klar –

Ein Gut gewann ich durch der Liebe Glauben,

Des warmen Glanz kann mir kein Mißgeist rauben.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 87-89.
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