Dies venit, dies tua,

In qua reflorent omnia

[132] O Sonne, wenn von Deinem Licht

Ein Strahl durch meinen Kerker bricht,

Wie schnell dahin ist aller Schmerz,

Wie jubelt himmelan mein Herz!


Vom Auge fällt der Freude Thau,

Der Blick strebt auf zum Himmelsblau,

Er suchet Dich, er findet Dich,

Und labt an Deiner Schöne sich.


O Jesus! süßer Nam' und Laut!

O Bräutigam, so lieb und traut!

Ich habe nichts, als Dich allein,

Ich wünsche nichts, als Dein zu sein.
[133]

O Freund, nach dem mein Herz sich sehnt!

O Stern, um den mein Auge thränt!

Erschein', erscheine, holdes Licht,

Das meinen dumpfen Kerker bricht!


Weh! daß ich Dich so oft betrübt!

Weh! daß ich Dich so spät geliebt!

Nicht wußt' ich es, wie gut Du bist,

Wie süß Dein heilig Lieben ist.


O Gnadenquell, berausche mich!

O Liebe, zieh mich ganz in Dich!

Lehr' mich der Leiden Liebesgrund,

Dann bin ich selig und gesund.


Sondermühlen, 1823


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 132-134.
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