Der fernen Luise zum 30. März

[333] (Lied der Mutter.)


Ach, voll innig heißer Liebe

Schlägt dies Herz so froh und trübe,

Süßes Kind, Dir heute zu.

Freude, daß ich Dich geboren,

Kummer, daß ich Dich verloren,

Läßt mir heute nirgend Ruh.


O, wie war ich doch so selig,

Als Du noch so frisch und fröhlich

Mich an's treue Herz gedrückt.

Jetzt, ach! fließen meine Thränen,

Und die Brust hebt banges Sehnen,

Denn mein Herz ist mir entrückt.
[334]

Soll ich nie Dich mehr erblicken?

Ach! Dich an die Brust zu drücken

Einmal noch auf dieser Welt,

Ist mein Wunsch, mein stetes Flehen –

Ja, ich muß Dich wiedersehen,

Eh' dies Herz in Staub zerfällt.


Doch ich wollte ja nicht klagen;

Dir der Mutter Wünsche sagen

Sollte nur allein dies Blatt.

Nimm es, Kind, aus meinen Händen;

Möge Gott Dir Alles spenden,

Was mein Herz für Dich erbat.


1826.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 333-335.
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