Im Namen Minchen's v.B.

[351] Klagt nicht, wenn in trübe Ferne

Der Geliebte einsam zieht,

Klagt nicht, wenn von hellerm Sterne

Er auf euch herniedersieht!


Denn in treuen Herzens Gründen

Lebt sein Bild so hell und klar;

Alle Fehler müssen schwinden,

Aller Flecken ist es baar.


Und du opferst deine Schmerzen

Für den Liebsten Gott dem Herrn

Und mit fromm ergebnem Herzen

Schaust du auf zum Abendstern. –


Aber wo vom treuen Herzen

Ein geliebtes Herz sich wand,

Das nicht achtet seiner Schmerzen

Und es läßt um eitlen Tand,
[352]

Das nun ungestüm und irre

Stets zu neuen Freuden schweift

Und im bösen Weltgewirre

Täglich Sünd' auf Sünde häuft.


Ach! du willst so gern ihn halten,

Willst in Leid und Gram vergehn,

Sollst den höllischen Gewalten

So dein Selbst gegeben sehn. –


Herr! wie kann auf dieser Erden

Friede nahen meinem Sinn?

Herr! wie kann ich selig werden,

Wenn ich halb nur bei Dir bin?


Nein, ich lass' ihn nicht dem Bösen,

Büßen will ich ja für ihn,

Will die Bande all' nicht lösen,

Die ihn schwach noch an mich ziehn.


Ja, sie werden einst ihn mahnen

An die alte, gute Zeit. –

Führ' ihn, Herr! auf rauhen Bahnen,

Führ' ihn nur zur Seligkeit!


Berlin, 1814.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 351-353.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lieder (Ausgabe von 1879)
Lieder: Ausgabe von 1879
Lieder aus dem Nachlaß