Maria

[229] Preisen soll Dich mein Lied, o Blume, o Sonne des Himmels!

Preisen soll Dich mein Lied? – Nimmer vermocht' ich es noch.

Engel wohl mögen es kaum und Schaaren glückseligster Kindlein,

Die, mit dem Taufkleid geschmückt, frühe der Erde entschwebt.


Siehe, ich dacht' es in mir, verloren in sprachloses Sinnen,

Lehnt' auf die Harfe den Arm, suchte nicht Klänge noch Wort,[230]

Aber da hört' ich den Sang der Vöglein lieblich erklingen,

Und mich erfreute das Lob, das sie dem Schöpfer gebracht.


Kann Dich, o Seligste! auch mein kindisches Lallen nicht preisen,

Grüßen doch darf Dich mein Lied froh mit der Vögelein Sang.

Mutter! o sieh mir in's Herz, das innig Dir schlägt und Dich liebet;

Heiligste Mutter, o nimm freundlich Dein bittendes Kind,


Nimm es, o Mildeste! hin; bei Dir nur, da kann es genesen,

Immer auch hat sich nach Dir innig mein Leben gesehnt;

Trost war Dein Name mir stets und Quelle der heiligsten Freude.

Dacht' ich, Maria! an Dich, ach, so erhob sich mein Herz.
[231]

Grüßen drum soll Dich mein Lied, o Blume, o Sonne des Himmels!

Freuen drum soll sich mein Herz, daß es, o Mutter! Dich kennt.

Einst, wenn im Auge mir bebt die letzte der Thränen, dann rufe –

Mutter – Dein Kindelein heim, lächle ihm ewige Lust.


Sondermühlen, 1823.


Quelle:
Louise Hensel: Lieder. Paderborn 41879, S. 229-232.
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