Auf Willamow's Tod, des deutschen Dithyrambensängers

[397] 1781.


O Vaterland, das seine besten Söhne,

Ein rauher Fremdling, von sich stieß,

Wie oder sich im Schooß, sie sonder Hippokrene

Und Brod verschmachten ließ!


Auch er ist hin, der einst auf Chelmo's Fluren,

Bei Wasser und geringem Mahl,

Dir Dithyramben sang und kühn auf Pindar's Spuren

Aus seinem Köcher stahl


Der Pfeile nicht geringsten, Nordens Helden,

Sobieski, Peter, Friederich,

Ein hohes Drei! mit Stolz der Ewigkeit zu melden.

Und wünscht' und rühmte Dich,


Berlin-Athene, das ihn ohn' Erbarmen

Auf seinen Fluren schmachten ließ,[397]

Bis, nicht mit Naso's Schuld, das Schicksal ihn, den Armen,

Zur Newa hin verstieß,


Daß er Enkomien dort sänge, Namen,

Die weder Reim noch Sprache faßt,

Den Sieger Tschesme's, Chotschym's, Kayul's und zusammen

Den Eis- und Goldpalast


Sarsk-Szielo's, Petersburg's und Petershof's und Peter's,

Nach Lomonossow's Melodie,

In Sumorokow's Schwung, dem Raum des leeren Aethers

Griechisch und Deutsch verlieh;


Und Nonnen Meßkunst las und unverstanden

Kriegslieder für Barbaren sang;

Der Krim, dem Hellespont, dem Oby und den Landen,

Wo kaum die Sonn' hindrang,


Ein Vaterland ertönte, das nicht ihnen,

Nicht ihm ein Vaterland je war.

Ah! Dir ein Kleid und Brod und Wasser zu verdienen

Und goldne Dose gar


Aus Kaiserhänden und wie Deine Linde,

Wie Deiner Muse Blumenkranz)

Zu welken, zu verwehn in alle dreißig Winde:

Das, Bruder, war Dein Glanz,


Dein Lorbeer und Dein Leben! Ruh in Frieden,

Verwelkte Blume, liebliche

Verdorrte Linde! Nie sei's jener Flur beschieden,

Daß sie ein Pindar seh'!

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 397-398.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Aus Den Ideen Zur Philosophie Der Geschichte Der Menschheit: Nebst Vermischten Gedichten (Hardback) - Common
Aus Den Ideen Zur Philosophie Der Geschichte Der Menschheit: Nebst Vermischten Gedichten (Paperback) - Common
Gedichte (German Edition)