An mich, den Pindar-Nachahmer

[402] Ich sah und beb'! – Hätt' ich ihn nie gesehen,

Der mich mir selbst entriß,

Entriß zum Sklaven mich! – Verwünscht mein Flehen,

Das meine Brust zersprengt' und stieß


Hinauf gigantisch! – Warum bleibt Ihr, Götter,

Nicht stets mitleidig hart!

Semelens Pochen siegt: Du Zeus im Wetter!

Schon glüht sie! ach, zu menschlich zart!


Sie glüht, ich blinze! – Denn im Waffenfeuer

Fuhr Pindar vor mir her,

Und Siegespfeile rauschten aus der Leyer

Im Tritt der Harmonieen schwer.


Die trafen, blend'ten mich! – Unlöschbar brannte

Sein hohes Götterbild

Sich in mein Capitol, und jeder Altar nannte

Den Gott, der meinen Tempel füllt


Mit fremden Kohlen; denn mein Sonnenfeuer

Ist todt! – O, flöh' ich Dich,

Daß tief in Wüstenei'n, wo keine Leyer

Bezaubert, ich noch fühlte mich!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 402-403.
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