Eine Elegie

[406] Wo bin ich? – In Einsiedeleien

Find' ich mich!

Gespenster schatteten weg, Gedankentiefen

Brausen herab und ruhn! –


Da, wo im Mitternachtshain auf Scheidewegen

Feen wandelten,

Cypressen den Thau herunterrauschten

Auf mein entblößtes Haupt;


Um mich Gräber der Brüder, Geisterstimmen

Aus der Urne Schooß –

Hör's! sie dumpfen herauf! – St! jener Moder

Lispelt Antwort und schweigt –


Und auf sterbenden Gipfeln ew'ger Ulmen

Wandelt – hörst's? – der Sturm,

Der von sinkenden ritterlichen Trümmern

Meinen Tempel heran-


steigt, in dem Gespenster den neuen Todten

Vor dem Altar weihn.

Kaum sieht Hekate selbst durch alte Fenster

Ihren Gelübden zu,
[406]

Und vom gothisch gehörnten Thurme seufzen

Eulen halbes Ach! –

Und mein Vater vor mir! Ich schaudre, schaudernd

Wach' ich – und um mich Nacht!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 406-407.
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