Sehnsucht nach Ruhe und Tod

[407] Und nun! voll Armuth, ohne Ruh

Sitz' ich und wein' den Wolken zu.

Ach, wär' ich – wär' ich reich!

Da klingt's. – Liebst Reichthum Du?

Doch – hinter Dir schleicht Sorge!

O laß mich! – laß mich gleich!

Und nun! noch sitz' ich ohne Ruh

Und weine Gram dem Staube zu.

Im Staube? Wär', o wär' ich groß!

Da rauscht's. – Mach, lieber Ruhm, mich groß!

Doch – hinter Dir schleicht Tücke!

O laß mich! – laß mich blos!

Voll Unglück, ruhmlos und noch ohne Ruh

Lieg' ich und ruf' der Wüste zu.

Wo? hörst Du mich nicht, Glück?

Da kommt's. – Gieb, liebes Glück, mir Ruh!

Doch – bringst Du schwarze Laster?

O kehre nur zurück!

Komm, Buch! – Doch sitz' ich ohne Ruh

Und weine selbst den Büchern zu.

Denn wenn auch tief gelehrt,

Von lieber Mus' erhört,

Doch Thorheit! hinter Dir schleicht finstre Plage.

Nein, das bist Du nicht werth!

Ohn' Buch und Glück und ohne Ruh,

Seh' ich dem Glück der Freundschaft zu.

O wär' ich Mensch – und Freund!

O Erde! – bildet mich zur Ruh!

Doch – Falschheit – und Beschwerde –!

Ich Unmensch, Keines Freund! –

Was sitz' ich immer ohne Ruh –

Und weine Blut Tyrannen zu?

Wer fühlte, was mich traf?

O lieber Tod, Du kömmst – Dich wünscht' ich, holder Schlaf!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 407.
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