Wünsche um einen Freund

[404] Um mich ist Wüst' – und wo mein Freund?

Herrscht meine Kainsstirn ihn weit zurück?

Bin ich für ihn blos Mannthier noch?

Wie? oder ist kein Freund?


Sprich, Freundin Muse! – Doch bin ich

Mir nicht selbst Muse? – Bin ich auch mein Freund? –

Sprich schwarze Funken, Seelenbrand!

Nie, nie bin ich mein Freund!


Bleib' ich mir treu? – Nein! Schwur wird Scherz!

Mein Bollwerk spreng' ich selbst und küss' den Feind;

Auch meine Thräne rührt mich nicht!

Nicht Freund! ich bin mein Feind!


Dort schwebt mein Geist, von mir ermord't –

Vertriebne Zeit – hier modert Jugendblut.

Noch modr' ich krächzend selbst im Staub

Und lieg' und hab' mich nicht!


Gieb, Pluto, einen Schatten mir,

Der, blos für mich geborn im todten Bild,

Mich weck' und lehr' und für den Freund

Den Menschen mich zubild',


Der jetzt vielleicht in Felsennacht

Mit Blut und Armuth kämpft, der Pallas' Pan-[404]

zer küßt, mich männlich einst umarmt

Und vor mir, Pallas nach,


Den kalten Hämus bald steil auf,

Bald Erymanthus' schwarzen Wald durchjagt

Und hirschgekrönt, wie Hercul, rauh

Zum Himmel dringt und herrscht.


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 404-405.
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