Menschenbestimmung

[493] Sei, was Du bist und werden sollt

In Deines Lebens Schranken!

Im Feuer läutert sich das Gold;

Steh fest und ohne Wanken!

Den Läufer, und hätt' er auch Viel'

Besieget, kränzet nur das Ziel.


Um schlechten Lorbeer kämpft der Held,

Der nur um Ehre kämpfet;

Wer in und um sich eine Welt

Voll mächt'ger Feinde dämpfet

Und für die Menschheit Segen streut,

Der ist's, deß sich die Menschheit freut.


»Die Blinden sehn, die Lahmen gehn,«

Sprach Christus; »sagt es wieder;

Der Taube hört; es auferstehn

Die Todten. Hört die Lieder

Des Stummen, hört der Armen Ruhm,

Mein tröstend Evangelium!«


Du warest, der Du solltest sein,

Ein Hilfgott aller Armen.

Dem Namen nach, Herr, bin ich Dein;

O, laß mit Thaterbarmen

Zu meinem und der Menschen Wohl

Mich auch sein, was ich werden soll!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 493-494.
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