60.

[318] Gnädig nahm ihn auf der König,

Als er ankam mit den Rittern,

Gnädig, wie es Cid verdient:

»Meine Dienste wißt Ihr, König,

Für Fernando, Euren Vater,

Für den unglückselgen Sancho

Und, Alfonso, auch für Euch.«


Alsobald gebot der König;

Und die beiden Grafen reichten,

Schimpflich und doch nicht beschämet,

Die Tizona und Colado

Ihrem edlen Herrn zurück.


»Hab ich«, sprach der Cid, »euch wieder,

Angedenken meines Lebens,

Dich, Tizona, einst gewonnen

Von Bukar, dem Mohrenkönig,

Als Valencia ich bezwang,

Dich, Colado, den der edle

Graf von Barcelona trug,

Als den Aragonierkönig

Wir mit Ruhm besiegeten!

Nehmt die Degen, Don Bermudez

Und Alvar Fañez Minaya;

Bis zum Schluß der Reichsversammlung

Wahrt vor jedem Niederträchtgen,

Wahret sie in eurer Hand!«


Jetzt mit fürchterlichem Aufruf

Griff der Cid an seinen Bart,

Nannt in Gegenwart des Königs

Und der ganzen Reichsversammlung,

Nannt die Grafen und den Oheim,[318]

Der den Anschlag angegeben,

Niederträchtige Verräter.

Als ein Mann von Ehre trug er

Ritterlich die Klage vor.


Sich entschuldgen wollen beide;

Doch umsonst ist die Entschuldgung,

Auf der Lippe stockt das Wort.

»Sprechet«, rief der Cid noch lauter,

»Ist es Wahrheit, was ich sage?

Tod oder Bekenntnis.« –


»Der«,

Sprach im Spott Garzia Cabra,

»Der mit seiner Eisenstimme

Und mit seinem langen Bart

Will euch, Grafen, hier erschrecken;

Geh er hin zu seinen Mauren« –


»Schweigt!« antwortete der König;

»Recht gilt hier es und Gericht.

Fechten müßt ihr, Angeklagte,

Drei mit drei, ihr beiden Grafen

Und der Oheim in Person;

Anderseits, wen von den Rittern

Gegenüber euch zu stellen

Der Beleidigte sich wählt.«


Auf der Stelle wählte Cid

Drei von seinen wackern Männern,

Don Bermudez und zwei Vettern,

Stellend sie dem Feinde dar;

Nahm darauf vom König Abschied,

Nach Valencia zog er heim.[319]

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 318-320.
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