[331] Ausgeatmet hat der gute
Cid, der von Bivar sich nannte.
Zu vollbringen seinen Willen
Ist Gil Diaz jetzt bedacht.
Balsamieret wird sein Leichnam.
Frisch und schön, als ob er lebte,
Sitzt er da mit hellen Augen,
Mit ehrwürdig-weißem Bart;
Eine Tafel stützt die Schultern,
Eine Tafel Kinn und Arme,
Unbewegt auf seinem Stuhle
Sitzt er da, der edle Greis.
Als zwölf Tage nun vergangen,
Schalleten die Kriegsdrommeten,
Weckten auf den Maurenkönig,
Der Valencia hart umschloß.
Mitternacht wars, und man setzte
Auf sein gutes Pferd Babieca
Grad und fest den toten Herrn;
Schwarz und weiße Niederkleider,
Ähnlich dem gewohnten Harnisch,
Den Cid an den Beinen trug;
Durchgenäht mit goldnen Kreuzen
War die Kleidung; ihm am Halse,
Eingefaßt mit der Devise,
Wellenförmig hing sein Schild.
Von gemaltem Pergamente
Stand ein Helm ihm auf dem Haupte;
Ganz in Eisen eingekleidet
Schien er da auf seinem Roß,
In der Rechte die Tizona.
[331]
Neben ihm zu einer Seite
Ging Jeronimo, der Bischof,
An der andern ging Gil Diaz;
Beide führten den Babieca,
Der sich seines Herrn erfreute,
Der noch einmal auf ihm saß.
Sacht geöffnet ward die Pforte,
Die hin gen Kastilien führet,
Trabetor wird sie genannt.
Durch sie zog Pedro Bermudez
Mit erhobner Fahne Cids,
Neben ihm vierhundert Ritter
Zur Bedeckung ihr voran.
Jetzt nun folgete Cids Leiche,
Hundert Ritter um sie her;
Hinter ihr Doña Ximena,
Wohlbegleitet von sechshundert
Edlen Männern, ihrem Schutz.
Schweigend ging der Zug und langsam,
Leis, als wären es kaum zwanzig;
Aus Valencia waren alle
Längst schon, als der Tag anbrach.
Alvar Fañez war der erste;
Wütig stürzt er auf die Mauren,
Die Bukar hieher gelagert;
Ungeheuer war die Zahl.
Traf zuerst auf eine schwarze
Mohrin, die aus türkschem Bogen
Giftge Pfeile tödlich schoß,
Also meisterhaft, daß man sie
Einen Stern des Himmels nannte;
Sie und ihre Schwestern alle,[332]
Hundert schwarze Weiber,
streckte Alvar Fañez in den Staub.
Dies gesehn, erschraken alle
Sechsunddreißig Mohrenkönge;
Furchterblasset stand Bukar.
Wohl sechshunderttausend Ritter
Dünkt ihnen das Heer der Christen,
Alle weiß und hell wie Schnee.
Und der Schrecklichste vor allen,
Reitend vor auf weißem Rosse,
Größer als die andern alle,
In der Hand eine weiße Fahne,
Auf der Brust ein farbicht Kreuz,
Sein Schwert glänzete wie Feuer,
Als er anlangt bei den Mauren,
Breitet ringsum er den Tod.
Alle fliehen nach den Schiffen,
Viele stürzen sich ins Meer;
Wohl zehntausend waren ihrer,
Die die Schiffe nicht erreichten,
Die des Meeres Flut verschlang.
Von den Mohrenköngen blieben
Zwanzig; nur Bukar entrann.
Also siegt' auch nach dem Tode,
Weil San Jago ihm voranging,
Cid; gewonnen ward an Beute
Großer Reichtum, alle Zelte
Voll von Golde, voll von Silber;
Auch der Ärmste wurde reich.
Sodann setzten nach, dem Willen
Cids die freundlichen Begleiter
Nach San Pedro de Cardeña
Ruhig ihre Reise fort.[333]
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
|
Buchempfehlung
Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.
244 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro