26.

[245] Auf Zamora geht der Feldzug,

Auf die feste Stadt Zamora.

Zahllos ist das Heer der Krieger,

Zahllos Königes Entwürfe.

Tapfrer Cid, du edler Feldherr,

Vor Zamora ziehest du?


Unterweges spricht der König

Zu ihm: »Freilich, ausgehauen

Ist die Stadt wie aus dem Felsen,

Der ihr anliegt wie ein Panzer.

Dick wie eines Mannes Länge

Ist die Dicke ihrer Mauern;[245]

Und die Türme dieser Mauern,

Ihre Festen aufzuzählen,

Foderte wohl einen Tag.

Abzuleiten den Duero,

Der sie einschließt wie ein Mädchen,

Ist ganz über Menschenmacht.

Übergäbe mir Zamora

Meine Schwester, Cid, so hätt ich

Eine Festung, in ganz Spanien

Wär ihr keine Feste gleich.

Guter Cid, von meinem Vater

Als ein Kleinod mir vererbet,

Eidlich mußten wir versprechen,

Lebenslang Euch hoch zu ehren

Und zu folgen Eurem Rat;

Guter Cid, du unsres Hauses

Säule, tu es mir zuliebe,

Bringe Botschaft nach Zamora,

Fodre es von meiner Schwester,

Fodre es zum Tausch um alles –

Doch vergiß nicht beizufügen,

Wenn sie mir die Bitte weigert,

Daß ich nehme, was ich bat!«


»Freilich weiß ich nicht«, antwortet

Ihm der Cid, »je mehr die Mauren

Von Zamora ich betrachte,

Desto kühner, desto stolzer

Scheinen sie mir dazustehn.«


»Recht«, spricht Sancho, »recht geredet!

Dieses sind die ersten Mauern,

Die nicht deinem Anblick zittern.«


Und je näher Cid der Stadt kam,

Ging sein muntres Roß Babieca

Langsam und hing seinen Kopf.[246]

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 245-247.
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Der Cid
Der Cid (Hardback)(German) - Common
Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)