30.

[252] Ein Geräusch von Waffenrüstung!

Pferdetritt', Galopp, Galoppe!

Zween Zamoraner Ritter

Sind es, von der ersten Bravheit.


Längs dem Ufer des Duero

Reiten sie mit grünen Schilden;

Füchse reiten sie, die Degen

Sind von braunem, scharfem Stahl.


Wohlgewaffnet, auf dem Sattel

Fest und leicht, wie Hasen sprengen

Sie hinauf dort jenen Hügel,

Und im Augenblicke stehn sie

Vor den Kastilianerfahnen

Also nah, daß man sich hört.


Einer ist ein alter Ritter,

Arias Gonzalo sein Name,

Weitbekannt. Zwei Gegner sind ihm

Wie ein Haar aus seinem Bart.

Neben ihm der junge Ritter

Ist sein jüngster Sohn; er scheute

Wohl auch nicht den dritten Mann.

Unverzagt, sobald sie hörbar

Reden konnten, rufen sie:


»Sind im königlichen Lager

Zwei der Ritter, die mit zweien

Zamoranern ihre Lanzen

Brechen wollen, sind wir da,

Sie zu lehren: König Sancho

Sei kein Edelmann, indem er

Seiner Schwester das zu rauben

Kommt, was ihr der Vater gab.
[252]

Tun dabei Verzicht auf jede

Ritterehr und Königsladung,

Nie zu sitzen einem Edlen

An der Seite, nie von Frauen

Zu empfangen Lieb und Gunst;

Tun Verzicht auf dieses alles,

Wenn mit zweien Lanzenstößen

Wir den Platz von unsern

Gegnern Nicht geleert.

Wenn zwei sich fürchten,

Mögen drei und vier und zwanzig

Selbst auch mit dem Teufel kommen,

Nur mit einem nicht – dem Cid!«


Als zwei Kastilianergrafen

Hörten diese kühne Fodrung,

Wie die Löwen brüllten sie:

»Wartet, Ritter, zwei Miauten,

Anzulegen uns die Waffen!«


Indes sie sich also rüsten,

Sprach der alte Zamoraner,

So sprach er zu seinem Sohn:


»Rückwärts sieh dich um, o Jüngling!

Auf den Mauern, auf den Türmen

Von Zamora sehen Frauen

Und Jungfrauen auf uns her;

Nicht auf mich, der alt und grau ist,

Aber auf den jungen Ritter,

Den mannhaften, schauen sie.

Führest du dich wohl, so gäb ich

Für mein Landgut nicht die Bänder,

Die man dir verehren wird.

Gegenteiles stürb ich lieber,

Als die Spötterein zu hören,

Die sich rüsten deinem Ohr.
[253]

Fest im Bügel! Halt die Lanze

Grade vor dich! Auf den Schild!

Halt dein Roß zum Angriff fertig!

Wer im Kampf den ersten Stoß tut,

Hat das halbe Werk getan.

Sieh, da kommen siel Wohlauf dann!

Siegen oder sterben, Sohn!«


Sieg war Ausgang ihres Kampfes.

Allen Damen in Zamora

Hoch zur Freude wirft der Jüngling

Seinen Feind mit einem Stoß

Um und um; des Alten Gegner

Flog vor seiner starken Lanze

Zehn Schuh weit von seinem Roß.


In die edle Stadt Zamora

Zogen jetzt als Überwinder

Ein der Vater und Sohn.

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 252-254.
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