13.

[214] An dem Rand der Silberquelle,

Als der König ausgesprochen,

Nahm der Cid also das Wort:


»Freilich bin ich jung, o König,

Für die Regeln alter Weisheit;

Aber, das Gesetz der Ehre

Zu verstehen, nicht zu jung.
[214]

Denn aus gutem Blut erzeuget

Und genährt in guter Schule,

Spricht die Ehre mir: Erhalten

Muß ein Edler sein Geschlecht;


Muß dem Vaterlande dienen,

Muß in Rat und Tat dem Herren

Hold und treu sein und gewärtig,

Muß ihm beistehn mit Gewicht;


Dazu also einen Namen,

Einen hohen Baum sich pflanzen,

In des Schatten auch der Fremde

Ruh und Schutz und Rettung sucht.


Muß der Kirche, muß dem Staate

Kinder geben, die ihm gleichen;

Dies ist mein Gesetz der Ehre,

Das Vermählung mir gebeut.


Wer das heilge Band der Ehe

Flieht, o König, der verleugnet

Feige, wie ein Überläufer,

Väter und Religion.


Er zerreißt den Zaum der Ehre,

Trennt das Band, das ihn an Menschen,

Das an sein Geschlecht ihn knüpfet

Und an andere Geschlechter;

Dafür wird er hart gestraft.


Den entlaufenen Verächter

Straft Verachtung aller Edeln;

Jedermann erscheint er nutzlos

Und unwürdig seines Stamms.[215]

Was das Regiment der Frauen

Anbetrifft, o großer König,

So ist meine Meinung dies:


Sie regieren wie die Diener

Über fehlerhafte Herren.

Wer zur Decke seiner Mängel

Ihrer nicht vonnöten hat,

Gegen eine Welt von Feinden

Ist er stark und stehet sicher.

Sonderlich im Punkt der Ehre

Gab kein Weib dem Mann Gesetze,

Durft auch nie ihm solche geben;

Das Vergnügen ist ihr Feld,


Und da mögen sie regieren;

Sie verstehn darauf sich besser,

Besser, dünkt mich, als die Männer

Dies ist meine Meinung, Herr.


Und was anlangt ihre Gleichheit,

Unterwerf ich mich der Meinung

Meines Lehnherrn. Alle taugen

Nicht, sobald der Mann nicht taugt.


Also nehm ichs gegen alle

Auf, zu Roß und auch zu Fuße;

Nur behaupt ich: jedes Weibes

Fehler ist des Mannes Schuld.


Eine Bitte noch, o König,

Vor dem Ende des Gespräches:

Zur Vermählung mit Ximenen,

Waise jetzt des Grafen Gormaz,

Bitt aus königlicher Gnade

Ich mir die Bewilligung.«[216]

An dem Rand der Silberquelle

Gingen jetzt sie auseinander,

Don Fernando und der Cid.

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 214-217.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Cid
Der Cid (Hardback)(German) - Common
Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon