2.

[229] Deine Schuhe drücken dich,

Und du schaust nach höhern Sternen,

Schauest höher noch als ich

In die nebelgrausten Fernen.


Und du sprichst: »Mein Auge hängt

Nicht mehr an der Erde Brüsten,

Höher als die Milchstraß drängt

Mich ein heimatlich Gelüsten.


Von dem Meere stammt sie her,

Und das Meer hat viele Klippen;

Bitter, bitter wie das Meer

Schmecken Aphrodites Lippen.


Hab die Erdenschönheit satt,

Auch die Frau im Marmelsteine,

Ach! die keine Arme hat,

Mir zu helfen!« – Lieber Heine,


Sing und stirb! Unsterblich wacht

Doch die arme Dichterseele;

Mitten durch die Todesnacht

Schluchzt ihr Lied die Philomele.


Sing und stirb! und fluche nicht

Dieser Erde Rosenlauben!

Teurer Dichter, suche nicht

Trost in einem Seehundsglauben!
[229]

Sing und stirb! Wir sorgen schon,

Daß kein Atta Troll dir schade;

Schwebe hin, Anakreon,

Zu der Seligen Gestade!


Rasch vorbei am Höllensumpf!

Hör nicht das Koax! und trage

Deine Lieder im Triumph

In des Pluto Dichterwaage!


Grüß den Aristophanes

Dort auf Asphodeloswiesen;

Ich hier oben will indes

Quelle:
Herweghs Werke. Berlin und Weimar 1967, S. 229-230.
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