[Hab' ich denn schon Schmerz gelitten]

[227] Hab' ich denn schon Schmerz gelitten,

Eh' ich dieses Glück verlor?

Ward mir schon ins Herz geschnitten

Mit so rauher Hand zuvor?


Stockt mir doch der Quell des Lebens

Wie verschüttet in der Brust.

Nun umschmeichelt sie vergebens

Liebeslockung, Lebenslust.
[227]

Wenn ein Tagwerk mich beschwerte,

Wer erquickt mich nun am Ziel?

Und wo ist mein Spielgefährte,

Wenn die Stunde kommt zum Spiel?


Lange Bogenzeilen tragen

Vom Gebirg den reinen Quell.

Lorbeerhaine seh' ich ragen,

Licht und Luft wie süß und hell!


Golden blitzt des Stromes Welle,

Und ich blicke starr hinein,

Wie vom hohen Fußgestelle

Fühllos jenes Bild von Stein. – –


Rom


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 227-228.
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