Der zehnte Auftritt.

[53] Lisette und Herr Orbil.


HERR ORBIL noch ehe er zu sehen ist. Lisette!

LISETTE. Herr Orbil.

ORBIL. Seyd ihr auch da? Sieht nach seiner Uhr.

LISETTE. Ohnfehlbar.

ORBIL. Hört mein Kind! ihr habt mir treu und redlich gedient. Es sind 3 Jahr, Er denkt etwas nach. ein Viertel und heute – 15 Tage – – die Stunde ist mir entfallen, da ihr in den Dienst kamt.[53]

LISETTE. Es war – in der Abenddämmerung.

ORBIL. Das kann wohl seyn! allein ihr hättet sollen die nähere Bestimmung merken.

LISETTE. Es war so zwischen Vesperbrot und Abendeßen.

ORBIL. O damit könnt ihr euch nicht aushelfen. Ihr hättet sollen die Stunde merken. Erinnert mich, daß ich sie in meinem großen Hauskalender nachsehe.

LISETTE. Und wenn befehlen Sie, daß ich Sie erinnern soll?

ORBIL. Das war eine vernünftige Frage. Nehmt etwas davor zu Stecknadeln. – Morgen um – – Ich will euch gleich sagen – – Morgen um – – Die Sache ist von Wichtigkeit – je nun! – Wenn ihr einmal mein Haus verlaßet – Ihr sollt mir keine Minute über euer Jahr bleiben: das bringt wenig Seegen ins Haus, wenn man seine Bedienten über die Zeit zum Dienst zwingt. Bewahre mich der Himmel! keine Minute drüber, wie ich sage, keine Minute – Erinnert mich morgen! – aber um welche Zeit? Er zählt nachdenkend. 6. 7. 8. 9. 10. Ich bin besetzt. Hört nur: Morgen, um – um –

LISETTE. Ach lieber Herr Orbil! martern Sie sich nicht – Sie können sich ja mit dem Morgensegen etwas fördern, so daß Sie 3 Viertel auf sieben fertig sind, und alsdenn gewinnen Sie eine ganze Viertelstunde im Kalender – –

ORBIL. Nein! das geht nicht, Lisette! aber ich will das Lied weglaßen, womit ich sonst meine Arbeit anfange – Ich pflege[54] dieses mehrmals zu thun, wenn es ein Werk der Liebe und der Noth erfordert – und dieses Lied währt eine halbe Viertelstunde – ich sage eine halbe Viertelstunde. Ihr könnt also 45 Minuten auf 7 anfragen. – Es bleibt dabey –

LISETTE. Und das ist alles was Sie mir zu befehlen haben?

ORBIL. Nein! Lisette, ich will euch eine Sache offenbaren, die das Wohl meiner Tochter betrift. – Ich will sie verheirathen.

LISETTE. Doch wohl an einen ordentlichen Mann?

ORBIL. Ja, Lisette, und das ist eben die Ursache, weswegen ich sie Valeren nicht geben will. – Er ist zu unordentlich.

LISETTE. Und wen haben Sie in seine Stelle im Vorschlage, wenn ich fragen darf?

ORBIL. Es ist der Magister Blasius, ein Mann, deßen Lebensart mir nach der Beschreibung eines guten Freundes ausnehmend gefallen hat. Er thut alles auf den Glockenschlag. Nur gestern habe ich ein Programma von ihm gesehen, worinnen er seine Arbeiten öffentlich anzeiget. Vortreflich! von 7 bis 8. von 8 bis 9. von 9 bis 10. von 10 bis 11. von 11 bis 12. von 1 bis 2. von 2 bis 3. von 3 bis 4.

LISETTE UND ORBIL zusammen. Von 4 bis 5. von 5 bis 6. von 6 bis 7.

LISETTE vor sich. Das verfluchte Programma verrückt mir mein ganzes so Koncept. Zu ihm. Allein, Herr Orbil, auf diese Art wird der Herr Magister wenig Zeit zum Heirathen übrig haben – Wie wird er seiner Braut die nöthigen Aufwartungen – –[55]

ORBIL. Es sind jetzo Ferien, die der Magister füglich zu seiner Heirath anwenden kann – Von vielen Aufwartungen und andern dergleichen Poßen bin ich kein Liebhaber. Ehrlich und ordentlich! Ehrlich und ordentlich! Die Verlobung würde schon heute geschehen seyn, wenn ich nicht den Magister vorhero selbst sprechen wolte. Sein Vetter, der Herr Simon hat mir so viel gutes von ihm gesagt.

LISETTE. Herr Simon?

ORBIL. Ja Herr Simon, ein naher Anverwandter des Magisters, mein 7 jähriger Freund, ein Mann von altem Schroot und Korn. Ich habe von ihm 3 Exemplare vom angeführten Programma in Goldpapier erhalten. Er zieht sie heraus.

LISETTE vor sich. Das verfluchte Programma, es wird mir noch das Herz abstoßen. Zu ihm. Aber da Herr Simon ein Anverwandter vom Magister ist –

ORBIL. So könnte er partheisch seyn: da habt ihr Recht, mein Kind, und dies ist eben die Ursache, weswegen ich die Verlobung bis übermorgen ausgesetzt habe.

LISETTE. Bis übermorgen?

ORBIL. Ja übermorgen, wenn ich leben und gesund bleibe, um 2 Uhr Nachimttage – Allein es sind schon 4 Minuten über die Zeit, daß ich den Magister herbestellet habe. Vormittage ist er gar ausgeblieben. – Ich will ihn abwarten und seine Entschuldigungen vernehmen – Krankheit entschuldigt – aber wieder zwey Minuten –[56]

LISETTE. Soll ich –?

ORBIL. Bleibt, damit ihr meiner Tochter ihren künftigen Ehemann desto beßer beschreiben –

LISETTE. Aber mit Ihrer Erlaubniß Herr Orbil: so ists keine große Ordnung, des Morgens auszubleiben und jetzo 6 Minuten –

ORBIL. Es sind schon 8. – Er kommt –


Quelle:
Gottlieb Theodor von Hippel: Der Mann nach der Uhr. Halle a.d.S. 1928, S. 53-57.
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