Der vierte Auftritt.

[39] Wilhelmine. Lisette.


LISETTE. Sie weinen, Mademoiselle?

WILHELMINE. Ich weine.

LISETTE. Darf ich die Ursache wißen?

WILHELMINE. Valer –

LISETTE. Liebt Sie nicht mehr?

WILHELMINE. O an seiner Liebe habe ich nie gezweifelt – Sein Herz ist zu ädel – Er liebt mich –

LISETTE. Er liebt Sie und Sie weinen?

WILHELMINE. Er liebt mich und ich weine!

LISETTE. So soll er Sie also nicht lieben?

WILHELMINE. Nein! Weil ich ihn nicht wieder lieben kann.

LISETTE. Sie scherzen.

WILHELMINE. Ich scherze nie, wenn ich weine.

LISETTE. Sie können ihn nicht wieder lieben?

WILHELMINE. Ich kann ihn nicht wieder lieben.[40]

LISETTE. Armer Valer!

WILHELMINE. Arme Wilhelmine!

LISETTE. Aber warum können Sie ihn nicht wieder lieben, den artigen Valer, der Sie anbetet, und der überhaupt –

WILHELMINE. Fehler hat, die mich vielleicht bei ihm unglücklich machen würden.

LISETTE. Was für Fehler kann wohl ein junger Herr haben, der Mademoiselle Wilhelmine liebt, der treugehorsamen Lisette manchen gehörnten Siegfrieden in die Hand drückt, und seinen Bedienten verheirathen will – Das kan ich doch nicht absehen, was Herr Valer für Fehler haben soll.

WILHELMINE. Mein Vater würde sie euch beßer angeben können, als ich –

LISETTE. Also will Ihr Herr Vater –

WILHELMINE. Daß ich ihn nicht lieben soll.

LISETTE. Und Sie wollen –?

WILHELMINE. Ihm gehorchen.

LISETTE. Mademoiselle, Ihr Herr Vater kann wohl ein guter Mann seyn, wenn er seine Tasch-, Stuben- , Sonn-, Sand- und Wasser-Uhren stellt, im Haus-, Wirthschafts- und Addreß-Calender ließt, oder – Ich mag nichts mehr von ihm sagen, allein so viel ist doch gewiß, daß er in Liebesangelegenheiten unmöglich für znverläßig könne gehalten werden. Was will er denn mit Ihnen anfangen?[41]

WILHELMINE. Er will mich verheirathen.

LISETTE. Und an wen?

WILHELMINE. Das konnte er mir nicht sagen, weil es halb war.

LISETTE. Ohnfehlbar an einen Uhrmacher oder Nachtwächter, denn das sind die einzigen Personen, die ich ihn habe rühmen hören. Er nennt sie zuweilen die Beförderer der Ruhe und der Wohlfarth des Staates, und wenn es nicht seinem Stande ganz und gar zuwider wäre: ich würde wetten, Sie müßten sich zu einem von beiden entschließen. – Ich bedaure Herrn Valeren.

WILHELMINE. Valer ist die Unordnung selbst, sagte mein Vater. Er weiß nicht, wenn er aufsteht, speist, oder schlafen geht, hat nicht einen immerwährenden Küchenzettel –

LISETTE fallt ihr poßierlich in die Rede. Trinkt nicht alle hohe Festtage Weinchokolade – – Nimmt nicht alle Viertel Jahre zu purgiren ein –

WILHELMINE. Da kommt Johann. Ich will ihn nicht sehen!

LISETTE. Allein ich kann ihn doch sehen?

WILHELMINE verlegen. Ihr könnt ihn sehen.

LISETTE. Und mit ihm sprechen?

WILHELMINE. Und mit ihm sprechen. Geht ab.


Quelle:
Gottlieb Theodor von Hippel: Der Mann nach der Uhr. Halle a.d.S. 1928, S. 39-42.
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