Der achte Auftritt.

[48] Die Vorigen. Wilhelmine und Lisette.


VALER. Sehen Sie mich heute, schönste Wilhelmine! – sehen Sie mich ohne jenen finstern Zug, den Sie mir seit einigen Wochen vorgerückt haben, und erlauben Sie es, daß ich[48] mein Vergnügen mit Ihnen theilen darf. – Ich habe eben erfahren – –

WILHELMINE. Daß ich Sie nicht lieben soll?

VALER. Daß Sie mich nicht lieben sollen?

WILHELMINE. Das will mein Vater.

VALER betroffen. Und was wollen Sie denn?

WILHELMINE. O fragen Sie mich nicht, was ich will. Fragen Sie mich, was ich als Tochter muß.

VALER. Und was müßen Sie?

WILHELMINE. Gehorchen!

VALER. Himmel! bin ich denn zum immerwährenden Kummer bestimmt? Kaum erhole ich mich von gewissen Bekümmernißen, die ich Wilhelminen nicht darum verschwieg, weil ich befürchtete, bei dem Verlust meines Vermögens ihr Herz zu verlieren. Nein! – Dazu hielt ich sie zu großmüthig. – Ich liebte Sie aber zu sehr, als daß ich Sie durch meine Befürchtung hätte niederschlagen sollen. Es war an dem, daß mein Vater sein Vermögen verloren hätte, und was würde er als Kaufmann noch mehr verloren haben! Diese Minute erhalte ich Briefe, daß alles außer Gefahr sey, diese Minute eile ich zu Wilhelminen, um derjenigen meine Freude zu zeigen, der ich meinen Schmerz verbarg und Wilhelmine – –

WILHELMINE. Wilhelmine nimmt den redlichsten Antheil an Ihrer Zufriedenheit und liebt Sie – allein sie muß gehorchen! –[49]

VALER. Gehorchen Sie Ihrem Herzen, und laßen Sie uns glücklich seyn.

WILHELMINE. Ich werde es nie ohne den Beifall meines Vaters seyn. – O Valer! warum wüsten Sie sich nicht in einen Mann zu schicken, der bei allen seinen Grillen ein gutes Herz besitzet? – Wie leicht – – Es ist alles zu spät – Valer soll der Deine nicht seyn, sagte mein Vater. Er ist in allen Dingen zu unordentlich. Du sollst – –

VALER. Ledig bleiben?

WILHELMINE. Einen andern heirathen.

VALER. O das ist zu viel für eine zärtliche Seele! Ist denn gar kein Mittel übrig? Denkt! redet! Johann, Lisette! Ist denn gar kein Mittel übrig, einen grausamen Vater auf andere Gedanken zu bringen? – Er nennt mich unordentlich! – Womit hab ichs verdient? – –

LISETTE ahmt Orbilen in der Rede nach. Das will ich Ihnen gleich sagen, Herr Valer! Sagen Sie mir doch zum Exempel, wenn ist heute die Sonne aufgegangen?

VALER. Des Morgens.

LISETTE. Wenn wird sie untergehn?

VALER. Des Abends.

LISETTE. Was? Sie wißen nicht, wenn die liebe Sonne auf- und unter geht? und wollen ordentlich seyn? – Die Secunde muß Ihnen bekannt seyn! Wie wollen Sie Ihre Uhr richtig stellen – wie?[50]

VALER. Darum bekümmre ich mich wenig.

LISETTE. Und eben darum sollen Sie auch Jungfer Wilhelminen nicht haben.

VALER. Ists möglich, daß ein vernünftiger Mann auf solche Thorheiten verfallen kann und –

WILHELMINE spröde. Vergeßen Sie nicht, daß dieser Mann mein Vater ist –

VALER. Warum will er der meinige nicht seyn? Wird aufgebracht. Grausame! hab ich verdient, daß auch Sie sich wider mich verschwören? – Fodern Sie mein Leben, ich opfre es Ihnen gerne hin – allein meine Liebe – – – Sie haßen mich – Tod! –

JOHANN fällt geschwinde ein. Erlauben Sie, ich habe nur eine kleine Bitte vor Ihrem Ende.

VALER. Schweig!

JOHANN. Sie können doch nichts mitnehmen, lieber Herr Valer! Was kommts Ihnen darauf an, daß Sie einem armen Teufel wie ich – –

VALER. Schweig, sag ich.

JOHANN. Ich will ja nicht Ihr ganzes Vermögen, das wiederum, dem Himmel sey Dank! in Sicherheit ist. Nur ein Legat, Herr Valer, daß Lisette und ich Hochzeit machen können – Wir wollen erkänntlich seyn und auf Mittel denken, den Herrn Orbil von seiner Meinung abzubringen. Nicht wahr, Lisette?[51]

LISETTE. Ich verspreche es – –

JOHANN. Und ich bin Bürge; aber eine Schwürigkeit fällt mir ein, die nicht so leicht zu heben ist; wenn Herr Orbil auf andere Gedanken kommt, und meinem Herrn seine Tochter giebt – so stirbt er ja nicht – und unser Legat –

VALER. Wenn es dieses alles wäre: so sollt ihr auf meinen Tod nicht warten dörfen.

JOHANN. Wenn das ist – Sieht Lisetten an.

LISETTE. So sollen Sie Wilhelminen haben.

VALER. Verzeihen Sie, schönste Wilhelmine! Wenn meine Hizze Sie beleidiget hat. Wie glücklich würden wir seyn, wenn der Anschlag –

WILHELMINE. Hoffen Sie nicht zu geschwinde, Valer! – Wie gerne bin ich die Ihrige –

LISETTE sieht nach der Stubenuhr. Eilen Sie – Geschwinde, sage ich! Es ist gleich Eins. Herr Orbil hat mich herbestellt, ohne Zweifel, um mir seine neue Absichten mit Jungfer Wilhelminen anzuvertrauen. So bald ich diese weiß – Verlassen Sie sich auf mich – –

WILHELMINE. Leben Sie wohl, Valer.

VALER küßt ihr die Hand. O vergessen Sie nicht, daß ich ohne Sie nicht leben kann Sie gehen an verschiedenen Orten ab.


Quelle:
Gottlieb Theodor von Hippel: Der Mann nach der Uhr. Halle a.d.S. 1928, S. 48-52.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Mann nach der Uhr, oder der ordentliche Mann
Der Mann nach der Uhr, oder der ordentliche Mann

Buchempfehlung

Jean Paul

Vorschule der Ästhetik

Vorschule der Ästhetik

Jean Pauls - in der ihm eigenen Metaphorik verfasste - Poetologie widmet sich unter anderem seinen zwei Kernthemen, dem literarischen Humor und der Romantheorie. Der Autor betont den propädeutischen Charakter seines Textes, in dem er schreibt: »Wollte ich denn in der Vorschule etwas anderes sein als ein ästhetischer Vorschulmeister, welcher die Kunstjünger leidlich einübt und schulet für die eigentlichen Geschmacklehrer selber?«

418 Seiten, 19.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon