§. 183.


das junge Paar

[321] zu Erben eingesetzt. – Das junge Paar? Allerdings, in dem Sinne der goldnen Zeit, wo immerwährender Frühling die Erde beglückt. – Warum ich Verlobung und Hochzeit übergangen? – Weil Moses sie in seiner Geschichte des paradiesischen Paares überging. Mit der Hochzeitrede, einer Geduldsprobe, die dem Meisterstücke in Lebensgröße nichts nach gibt, kann ich jedem, der zu Meisterstücken in Lebensgröße Luft hat, aufwarten. – – Etwas spät! denn unsere junge Ritterin hat ihrem Gemahl schon zwei Söhne geschenkt, die so, wie die künftigen Brüder und Schwestern derselben, nach den weise genommenen Beschlüssen der Rosenthalschen Gruppe, nichts anderes lernen werden, als was sie erwachsen thun sollen. In der That, ein paar Jungen, werth, nach Familiensitte mit ihrer Mutter, und zwar im Wohnsitze des Seniors, in den Familienstammbaum eingetragen zu werden! Etwas von der Hochzeitrede? Gern! obgleich die Rosenthalsche Familie mit Hochzeitreden nicht sehr glücklich ist. Jene, des Gewissensrathes, mischte Tod[321] und Leben, Freud' und Leid, himmlische und irdische Braut, wie ein Spiel Karten in einander, so daß der Herr Amtsbruder selbst nicht wußte, ob er auf Erden oder im Himmel ein Hochzeitgast wäre. – Gamaliels Text war: Unser Wandel ist im Himmel; doch nahm er die Worte: da er eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, seinem Text zur Aushülfe an. Wäre vom Engländer eine Seelenhochzeitrede bei dem Pastor bestellt worden, sie hätte nicht erwünschter ausfallen können, und doch war sie geradezu gegen ihn. Sie handelte, wie es nach der Meinung des Pastors ganz offenbar im Texte lag, von der Elektricität und von der magnetischen Kraft. Ein paar fruchtbare Gegenstände! Der Anfang seiner Rede war: alles liebt; der Misanthrop selbst liebt seinen Menschenhaß. Wie sie schloß, wird man mir des Anfangs halber schenken. – Heraldicus junior nannte diese Rede eine Geistercitation. Ich will und kann meine Leserwelt weder damit magnetisiren noch elektrisiren. – Einen passenden Anhang zu den bewußten drei Predigten über den Glauben – würde sie abgeben. Der Engländer hatte dem Bräutigam ein Kanonikat gekauft, und dieser mußte am Hochzeitstage durchaus Stern und Kreuz über der Weste anlegen, worüber sich ganz Rosenthal – versammelt in der Taubenkammer (es war jetzt eine förmliche Kapelle geworden) – herzlich freute. Seit der Zeit trägt unser Ritter diese Ehrenzeichen nicht mehr, die seiner Mutter während der Hochzeitrede eine Thräne im Auge zu stehen kamen. Er und sie, Sophie und der Ritter, gehören wahrlich zu den trefflichsten Menschen in der Welt. Nie ist ein Paar glücklicher gewesen, als das unsrige. – Ueberall blühen ihm Rosen von Jericho und neben ihnen die bescheidenen Blumen je länger je lieber. – Ich war das letztemal in Rosenthal, als die Fürstin ** einen Besuch machte, Alles schien ihr geschmackvoll und edel. Sie kehrte mit dem Entschlusse zurück, wenigstens drei Monate[322] (eine heilige Zahl!) die Seligkeiten des Landlebens zu genießen und die Stimmen der Lerchen und Nachtigallen den italienischen Trillern vorzuziehen. Wenn die Durchlaucht nur nicht vergißt, daß zum Landleben eine Rosenthalsche Gruppe gehört! »Welch ein Unterschied, hier einen offenen, geraden Weg zu betreten, und dort sich durch eine steife Etikette durchzudrängen; hier unbemerkt durch Blumen und Gesträuch zu wandeln, und dort durch Dornen und Disteln des Neides verwundet zu werden; hier die einfache Predigt der Natur über das Lob des Schöpfers anzuhören, wenn von dem unbedeutendsten Grase bis zur hohen Eiche seine Güte verkündet wird, und dort sich durch den auf Stelzen gehenden Oberhofprediger betäuben zu lassen, der mit strotzender Gelehrsamkeit beweiset, woran niemand zweifelt, – oder niemand glaubt! Warum erschwert der hochehrwürdige Mann doch alles, was so kinderleicht ist!« Ja und Amen, Durchlauchtige Fürstin, sagte in Rosenthal alles zu dieser Apologie des Landlebens, und war und ist seelenfroh, hier das Menschenleben zu genießen und die Zukunft, ohne sie zu wünschen, und ohne sie zu fürchten, zu erwarten. Eldorado ist freilich nicht hier; doch als Stufe, ist die Rosenthal'sche Existenz zu verachten? Soll ich noch zum


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 321-323.
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