Mit Handschuhen für Leopold Andrian

[166] Eines Dichters Handschuhe reden und sagen:


Wir sind das Kleid für eine kleine Hand:

Aus dieser fällt dereinst auf Andrian

Mehr Gloria und goldnes Lorbeerlaub,

Als je die starken Hände heimgebracht

Der Vorgeborenen, die nun im Grab

Mit nackten weißen Knochen kreuzweis ruhn,

Und hätten sie gleich David auch geschleppt

Des Ruhmes abgeschlagnes Riesenhaupt,

Um ihre Finger wickelnd sein Gelock!


Der Dichter antwortet:


Wie schlaffe Segel achte ich den Ruhm,

Wie Küsse, drin so wenig Liebe wohnt

Als süßer Traubensaft im Kern der Nuß,

Wie Schlaf und anderes, das kommt und geht:

Die alle sagen nichts: viel aber sagt

Der Abend, wenn die schwarzen Bäume beben,

Und viel das wechselnde Gesicht der Nacht,

Die kleinen gelben Häuser in der Stadt

Und jedes Wesen, das sein Leben lebt ...


Die Handschuhe erwidern:


Groß wie die Nacht, wenn du es recht bedenkst,

Ein solches Ding ist auch der Ruhm und rauscht

Mit hohen Segeln wie ein großes Schiff.

Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 1: Gedichte, Dramen, Frankfurt a.M. 1979, S. 166-167.
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