Neunter Auftritt.

[199] Verwandlung.

Scene: Platz vor Gustav's Hause. Franz und Nante sägen. Mine trägt Holz. Dörthe tritt aus der Hausthür, mit einem Topfe und einem Stück Brot. Sie geht bis in den Vordergrund und winkt Franzen. Franz läßt die Säge los, und kommt zu ihr. Mine tritt beim Sägen für Franz ein.


DÖRTHE. Ich bringe Dir ein Töpfchen Kaffee, Franz, und ein Butterbrot.

FRANZ. Ach, wozu denn wieder?

DÖRTHE. Laß man, 's ist nicht etwa mit Unrecht, es ist mein eigen Vesperbrot. Zu Fasching haben wie vollauf gekriegt. Das ist wahr, wenn in dem Hause Alles so wäre, wie das? Aber übrigens –[199]

FRANZ. Fang' nur nicht wieder an zu jammern. Wir haben Jeder sein Bündel. Denkst Du, es wäre meine Gelegenheit, hier mit solchem Pöbel in Gemeinschaft zu leben und Holz zu spalten? das ist mir auch nicht bei der Wiege gesungen worden.

DÖRTHE. Na, laß' gut sein, Franz, wer weiß, was geschieht, ich hab' frohe Nachricht. – Seid Ihr denn bald fertig? – Aber wie heiß Du bist! Sie setzt den Topf hin, legt das Brot darauf, bindet sich ein weißes Tuch ab und trocknet ihm damit die Stirn. Du kannst's behalten.

FRANZ. Weil Du's getragen hast! – Steckt es in die Weste. Was denn für Nachrichten?

DÖRTHE. Hier nicht, die Leute geben auf jede Bewegung Acht –

FRANZ. Ja, wo denn? Man sieht Dich ja nie allein.

DÖRTHE. Ich möchte Dir vor mein Leben gern erzählen –

FRANZ. Wie wär's heute Abend?

DÖRTHE. Sie fahren erst ganz spät zum Ball.

FRANZ. Wenn ich so nach Elf an die Hinterthüre käme, die zu Eurem Garten führt? die wird doch gewiß nur von innen verriegelt, da könntest Du –

DÖRTHE. Wie willst Du in'n Garten kommen?

FRANZ. Na, das wird doch keine Hexerei sein?

DÖRTHE. Nein, Franz, das schickt sich nicht.

FRANZ. »Schickt sich nicht?« Ist das Deine Liebe?

DÖRTHE. Weiß der liebe Gott, wie lieb ich Dich habe.[200]

FRANZ. Das sind Worte. – Wenn vielleicht bei Euch im Hause einer von den glatten Buben, oder gar Euer Herr –

DÖRTHE böse. Franz!

FRANZ. Ja, sieh, wenn ich dächte, daß Du mich betrügen könntest –

DÖRTHE. Pfui, wie häßlich!

FRANZ. So wahr ich lebe: es wäre Dein Tod – oder der meine. – Du bist mein Einziges, Dörthe! Meine Eltern sind todt! Unser kleines Vermögen ging verloren. Meine Braut drehte mir den Rücken, wie ich arm war. Ich wurde Soldat, es ging mir Alles contrair. Mein Lieutenant mißhandelte mich, ich vergaß mich in der Hitze, und mußte eilen, mein Leben davon zu bringen. Das Schicksal verschlug mich hieher. Von meiner Hände Arbeit zu leben, das ist keine Schande, aber von Dir getäuscht zu werden, das wäre mir eine Schande, die ich nimmermehr ertrüge. – Du hast Dich meiner angenommen, als ich krank und schwach, fast betteln mußte. Du hast Dein schmales Lohn mit mir getheilt, Du hast mir Wohlthaten von Deiner Herrschaft zugewendet. Daß ich wieder kräftig bin, mich ernähren kann, das ist Dein Werk. – Aber Du hast mir auch Treue geschworen, Du hast meinen Schwur angenommen. Ich bin ein armer Tagelöhner, Du bist eine arme Magd, wir haben nichts, als unsre Ehre, und unsre Liebe, und wenn Du etwas thust, was diese befleckt, so stirbst Du von meinen Händen!

DÖRTHE. Jott bewahre, Franz, rase nicht so! Die[201] häßlichen Menschen hören's ja, was müssen die denken!? Ne! Solche schrecklichen Ideen, wie kommst Du auf die? Du wärst ein braver, lieber Mann, wenn Du nur nicht immer so schlau und zornig wärst, das ist ja eine abscheuliche Leidenschaft, das. Ich geb' Dir doch so wahr keinen Anlaß. Ich pusle so stille mein Bischen Lebenszeit fort, und seh' keinen Andern nicht an, und denke man immer an Dich.

FRANZ. Und willst mich heut' Nacht nicht an der Hinterthür erwarten?

DÖRTHE. Wär' das nicht justement gegen die Ehre? und wenn ich Lachend. 'was gegen die thäte, wollt'st Du mich ja abmurksen?

FRANZ. Wir sind Braut und Bräutigam! Und kannst Du mir vorenthalten, was Dich froh gemacht hat?

DÖRTHE. Ne, 's ist auch wahr, das muß ich Dir erzählen: Einmal ist keinmal. So komme meinetwegen, wenn der Wächter zweimal getutet hat, denn wird wohl die Luft rein sind. August ist bei Philippine, die Köchin ist auch aus – dann schleich' ich mir run – 's wird mir aber wirklich ganz Angst. Ich will's Dir doch lieber jetzt erzählen –

FRANZ. Und ich will's jetzt nicht hören. Mir ist's um den Beweis Deiner Liebe zu thun.


Hier tritt August in die Thüre.


DÖRTHE. Eigensinn!

FRANZ. Hast Du gar kein Vertrauen zu mir?

DÖRTHE. Na, wirst Du denn aber auch recht artig[202] sein? und wirst nicht immer gleich von Mord und Tod sprechen, und von die Jalousie? – Versprich mir das! So'n wilder Kerl –

FRANZ. Ja, ich versprech' Dir's!

DÖRTHE. Du, an der Hausthür steht der August und spioniert, da will ich lieber retour. Laß' Dir auch den Kaffee nicht kalt werden. Giebt ihm beides.

FRANZ nehmend. Was hast Du mir aber da für ein Stück Brot gebracht! Das soll ich essen?

DÖRTHE. Ich hab' heute keinen Mundbissen 'runter gebracht, aus Freude, die macht so satt. – Du kannst die Kürste wohl nicht klein kriegen? – da hast Du meinen großen Kneif, bring'n mir heute Abend mit. Ab.

FRANZ. Um elf!

DÖRTHE muß an der Hausthür bei August vorbei, der sie am Kinne faßt, sie sagt. Lassen Sie mir ungeschoren. In's Haus ab.

FRANZ für sich. Der Schurke! Er zieht sich nach dem Mittelgrunde an eine Coulisse, setzt sich auf einen Holzkloben, und ißt und trinkt, ohne sich um die Andern zu bekümmern.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 199-203.
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