Erster Auftritt.

[206] PHILIPPINE. Gnädige Frau werden schön sein, wie keine andre.

AMÉLIE sich bespiegelnd. Mir kömmt's vor, als säße die Taille nicht?

DÖRTHE halb für sich. Nu Gott erbarm' sich, wenn Sie sich noch mehr zusammen schnüren wollen, da müssen ja die Rippen knacken.

PHILIPPINE. Sie versteht's!

AMÉLIE. Redet Sie auch mit? wer hat Ihr zu sprechen erlaubt?

DÖRTHE. Mich erbarmt es in der Seele, wenn ich Jemand so martern sehe, und ich denke, wer mit mir so umgehen wollte –

AMÉLIE. Es wär' Ihr sehr dienlich, wenn Sie ein wenig mehr auf Ihren Anzug hielte.

DÖRTHE gähnend. Ach, Madame, ich bin gewiß immer so reinlich –

AMÉLIE. Von Ihrer Bauerntracht ist die Rede, die sich in ein solches Haus nicht schickt.[206]

DÖRTHE. Ich hab' sie doch nun einmal, ich kann sie doch nicht fortwerfen.

PHILIPPINE. Ja, Euer Gnaden, da ist Hopfen und Malz verloren. Ich hab' mir schon so viele Mühe gegeben, ihr einen Begriff von noblen Anzuge beizubringen, aber ich glaube, ehe sie ihren Mollrock ablegt, eher springt sie in die Spree.

DÖRTHE. Thu' ich auch. Vor Wachspuppe hab' ich mir nicht vermiethet, und zu meiner Aufschauer in der Küche sind die Kleider viel besser, als Ihre Fahnen, und Shawls und Glashandschen. Wenn Sie ausgehen, und die Köchin, sehen Sie ja gar nicht aus wie Dienstboten, da haben Sie ja ordentliche Schreibfedern auf'n Hut, und Schleiers, wie eine ole Nimphe. I, ich wollt' mich was schämen! Man kennt ja Herrschaft und Hausmädchen nicht mehr von einander, so wicksen sie sich auf.

AMÉLIE lachend. Ja, das ist wahr, Philippine!

DÖRTHE. Neulich, wie der Herr aus Breslau hier war, der den Brief an unsern Herrn abgeben wollte, hat er geklingelt, und ich laß' ihn in'n Entree, und sage, er soll warten, ich will den Bedienten rufen. – Kommt mein Philippiniken raus, mit die viele Locken und den durchbrochenen Schildkrötkamm, und der Herr aus Breslau geht Gott straf mir auf sie los, und küßt ihr die Hand. I Jotts Deifel noch einmal, denk' ich, das wird dir nicht passieren!

PHILIPPINE. Nein, dafür ist sie sicher!

AMÉLIE. Man muß nichts übertreiben. Aber um in seinen Schranken als Dienstmagd zu bleiben, ist es doch[207] nicht nöthig, daß man im herrschaftlichen Zimmer erscheint, wie im Kuhstall.

DÖRTHE. Nun, Sie werden mich ja am längsten gesehen haben.

AMÉLIE. Desto besser! Ich will mich freuen, wenn sie auf Herrn Ehrenthal's Wagen sitzt.

DÖRTHE für sich. Ich mir auch, da können Sie fluchen.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 206-208.
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