[208] Vorige. August. Dann Lämmlein.
AUGUST tritt herein und prallt gleich wieder zurück.
AMÉLIE. Was giebt's?
PHILIPPINE. Es war August.
AMÉLIE. Ruf' ihn doch zurück!
DÖRTHE an die Thüre gehend. August!
AUGUST kommt. Ich sollte einen fremden Herrn melden – ich habe den Namen vergessen, – aber ich sehe –
AMÉLIE. Jetzt bei Nacht, einen Fremden? – Gewiß ein Masken-Scherz. Ich bin schon angekleidet, er soll nur kommen.
AUGUST ab.
PHILIPPINE. Na, da bin ich doch neugierig –
AMÉLIE. Am Ende Richard?
PHILIPPINE. Ach, es ist auch wahr. Sie sollen ihn nicht gleich erkennen. Das ist nun schon einmal ein zu liebenswürdiger Herr!
DÖRTHE für sich. J so streich' du den Fuchsschwanz!
LÄMMLEIN tritt ein.[208]
AMÉLIE. Trau' ich meinen Augen?
LÄMMLEIN. Tausend Mal muß ich um Entschuldigung bitten, meine in Gott geliebte Frau Schwägerin, daß ich wie Nicodemus –
AMÉLIE spöttisch. Immer willkommen! Aber ich bin erstaunt! Hätten Sie Lust bekommen mit uns –
LÄMMLEIN. Allerdings bin ich in einer sehr glücklichen Laune!
AMÉLIE. Die müssen Sie festhalten. Kommen Sie mit uns auf den Ball. Eine Maske des Tartüffe würde Sie prächtig kleiden.
LÄMMLEIN. Ich kenne den Mann nicht; war er ein berühmter Feldherr?
AMÉLIE. Allerdings. Aber mehr im Reiche der Kriegslist, als der Tapferkeit. Zuletzt freilich hat er die Hauptschlacht verloren, und mit ihr seinen Ruhm; da wurd' er berüchtigt.
LÄMMLEIN. Das geht Allen so, die mit irdischen Waffen kämpfen.
Die Frauenzimmer beschäftigen sich fortwährend mit kleinen Toiletten-Arrangements.
AMÉLIE. Nun, wie wär's?
LÄMMLEIN. Nein, meine Theure. Ich habe einen Abscheu gegen alle Redouten. Auch schon in früherer Zeit, wo ich leider noch in der Welt und mit der Welt lebte, sind mir diese Lustbarkeiten immer nur thöricht vorgekommen, weil sie meistens so kostspielig, so dumm, und so langweilig[209] waren. Nicht ein armes, gutes Einfällchen producirt sich; es sind die alten, abgedroschenen, herkömmlichen Formen, in denen sich Alles bewegt, und unter nichtssagenden Dominos läuft ein Gärtner, ein Bauermädchen und ein Schornsteinfeger, ein Türke und ein Doctor herum. Einlenkend. Heute freilich wird das anders sein, denn gewiß haben Sie etwas Neues ersonnen! Desto mehr bedaur' ich, scheiden zu müssen, obgleich der Grund meiner Reise ein sehr angenehmer ist.
AMÉLIE. Sie reisen?
LÄMMLEIN. In diesem Augenblicke. Der Wagen erwartet mich unten. Wollte nur schuldigerweise der Frau Schwägerin Lebewohl sagen.
AMÉLIE. Jetzt, bei Nacht?
LÄMMLEIN. Die Frau Schwägerin werden sich unsers heutigen Gesprächs und seines Hauptinhalts erinnern?
AMÉLIE. Ich will doch nicht hoffen –?
LÄMMLEIN. Fürchten Sie nichts. Diese traurigen Empfindungen sind besiegt. Kaum daß ich Sie verlassen hatte, empfing ich durch Staffette die Nachricht, daß ein alter Freund, ein weitläufiger Verwandter – (Sie werden ihn nicht kennen, denn Sie haben sich um unsere Verwandtschaft nie bekümmert) – gestorben sei und meine gute häßliche Tochter zur Erbin seines ganzen Vermögens eingesetzt habe. Da will ich denn nun eilen –
AMÉLIE. Sehen Sie wohl! – Und die Erbschaft ist bedeutend?[210]
LÄMMLEIN. Das weiß ich nicht; aber ich vermuthe und hoffe –
AMÉLIE. Ich gratuliere von Herzen. O, jetzt bekommt Ihr liebes Töchterchen auch noch einen Mann.
LÄMMLEIN. Glauben die Frau Schwester?
AMÉLIE. Ich will mich gleich heute auf dem Ball umthun.
LÄMMLEIN. Da müßten wir doch erst den status untersucht haben.
AMÉLIE. Auch wahr!
LÄMMLEIN. Und so erlauben Sie, daß ich mich empfehle?
AMÉLIE. Ich wünsche Ihnen die beste Reise und die reichste Ernte.
LÄMMLEIN mit gefalteten Händen. Wir wollen hoffen! Er geht. An der Thür begegnet ihm.
RICHARD. Sehn Sie einmal, Herr Lämmlein, wir lösen uns ja heute immer ab.
LÄMMLEIN schon draußen. Besonderes Vergnügen – Ab.
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