6.

[495] Ein Königreich für eine Leier!

Zwar eine Krone trug ich nie,

Doch ihren bunten Majaschleier

Wand mir um's Haupt die Poesie.

Die dunkle Nacht, die mich geboren,

Hat sie als Sternbild süss erhellt;

Sie sprach: Sei du der Thor der Thoren,

Denn dein Herz ist das Herz der Welt!


Wer träumt so straflos unter Palmen,

Wie wir, mein Liebling, ich und du?

Der Urwald rauscht mir seine Psalmen,

Das Weltmeer seine Hymnen zu.

Ich höre Nachts, wenn fern im Fernen

Ein Schakal in das Mondlicht bellt,

Und spiele Fangball mit den Sternen,

Denn mein Herz ist das Herz der Welt![495]


Als Tod mit Stundenglas und Hippe

Schlich ich um manchen morschen Thurm,

Der Aar gehört in meine Sippe

Und Bruder nenn ich jeden Wurm!

Selbst jene Sonne, die seit Newton

Sich rhytmisch um sich selber schnellt,

Mit meinem Hirn muss sie verbluten,

Denn mein Herz ist das Herz der Welt!


Von Capland, Mexiko bis Medien,

Gefunden ist der Weisheit Stein!

Von allen Bergen will ich's pred'gen,

In alle Herzen will ich's schrein!

Und ist das All auch nur ein Plunder,

Der lachend einst in nichts zerfällt:

Ich bin das Wunder aller Wunder,

Denn mein Herz ist das Herz der Welt![496]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 495-497.
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