Cantata


Thyrsis zieht seine Liebe zu seiner Schönen der Liebe zu seinen Schaafen vor

[155] Auf eine gewisse Liebes-Begebenheit.


Aria.


Weidet euch ihr liebsten Schaafe/

Wie mein Hertz geweidet wird.

Meine Seel ist auf den Auen

Meiner Schäferin zu schauen.

Geht sie fern/

Folgt ihr doch die Seele gern.

Und wird auch von ihr im Schlaffe

Wie ein säugend Lamm gekirrt.

Weidet euch ihr liebsten Schaafe/

Wie mein Hertz geweidet wird.


Ich weide meine Schaafe hier/

Und Daphne weidet sich

In einem fremden Lust-Revier.

Die Sonne brennet mich.

Sie kan in kühlen Hütten sitzen/[155]

Ich muß bey Müh und Arbeit schwitzen.

Sie aber lacht im Schatten voller Lust.

Sie übergiebt mir ihre Hütten/

Damit kein Dieb in ihre Ställe bricht:

Und sie läst sich vieleicht wohl selbst erbitten/

Daß diß ein Wolf bekommt/ was Sie mir nur verspricht.

Ja/ denn sie schreibt mir nicht einmahl.

Ihr Schertzen reimt sich nicht zu meiner Qual.

Ich bin entfernt/ auch fern in ihrer Brust.

Wie? Thyrsis säumst du dich?

Wohin dein Hertz voran gegangen/

Nicht mit dem Leibe zu gelangen?


Aria.


Itzt fliehet ein Hirte/ wie Schaafe sonst fliehn/

Die ihren geliebtesten Hirten nach ziehn.

Die Pflicht will gebieten

Der Schaafe zu hüten:

Die Klugheit läst aber ehr welche zerbeissen/

Als selber sein Hertze zerreissen.


Da Capo.

Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 155-156.
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