Gedancken über die Liebe zum Müßig-gange

[169] Wer sich ernähren kan/ und dennoch sich beschwert/

Daß ihn die Armuth drückt/ der ist der Peitsche wehrt.

So muß ich mir den Text nun selber lesen.

Gott hat mir zwar ein Pfund verliehn/

Daraus ich können Nutzen ziehn;

Doch bin ich sein nicht immer wehrt gewesen.

Auf Wucher hab ich es so offt nicht ausgethan/

Als man wohl kan.

Die Arbeit war erst mein Vergnügen:

Doch blieb sie wieder liegen/

Und stanck mich an.

Gantz nichts zu thun/ war mir nicht wohl gegeben.

Drum nahm ich lauter Dinge vor/

Als lebt ich bloß/ zum Zeit-Vertreib zu leben/

Um nichts zu thun/ in dem ich doch was thate.

Wer war wohl hier ein Thor?

Ich/ in Original.

Und wenn ich denn biß auf die Nähte kahl/

Und mich mein eigen Elend bate

Die Arbeit zu ergreifen/

So dacht ich ihr zu pfeifen;

Allein sie hörte nicht.

Ich reckte mich die Quer und in die Länge.

Denn grif ichs an/ denn schmiß ichs wieder hin.

Das Hauß war mir zu enge.

Heut will ich noch zu guten Freunden gehn/

So dacht ich denn/ und morgen früh aufstehn/

Denn weiß ich/ daß ich fleißig bin.

Der Tag/ der zwantzig mahl gekommen/

Hat gleichwohl nicht das Gold des Morgens mitgenommen.[169]

Weil/ wenn Aurora früh auf ihren Wagen steigt/

Sie Musen Weißheits Gold in ihrem Munde zeigt.

Inzwischen/ da die Armuth mich

Wie ein Gewapneter wolt' überfallen/

Da klaute denn der Müßiggänger sich/

Und ließ ein Klage-Lied erschallen:

Die Zeiten wären schlecht/ die Weißheit sey gedrückt.

Da er sein eigen Creutz sich selber zugeschickt.

Es klopfte niemand an die Thür/

So dacht er gleich/ ein Mahner ist dafür.

Was war zu thun? hier half kein Grämen/

Der Faule muste sich bequemen

Mit doppelt schwerer Pein

Und steter Arbeit dran zu seyn/

Daß er der Schulden sich erwehrte/

Und sich nach Nothdurfft nehrte.

Die Lehre/ hier/ mein Freund/ die deine Seele faßt/

Ist gut/ wenn du sie nicht/ wie ich/ von nöthen hast.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 169-170.
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