Schreiben Monsieur Tr. an Men.

[208] Men.


Wehrter Freund/ Du hast mir offt gesagt/

Die Liebe sey ein Meer verwirrter Eitelkeiten.

Du sprachst: Wer sich hierauf aus bloßer Wollust wagt/

Dem muß es mehrentheils den Untergang bereiten.

Und schiffet man zuletzt gleich in den Hafen ein;

So muß die Landung doch auch selbst ein Schiffbruch seyn.
[208]

Geehrter Freund/ mein Geist begreist nun deinen Sinn/

Und wie den Unterricht der Tugend Zweck gewiesen.

Jedoch die schönste Zeit ist meistentheils dahin/

Da ich zwar allezeit die Klugheit hoch gepriesen;

Doch mein bestricktes Hertz/ dem dein Verstand gebrach/

Erkandte nicht/ was hier bey dir die Freundschafft sprach


Es war mir alles rein/ was du so weit verwarfst.

Ist Freundschafft/ sprach mein Hertz/ ist lieben ein Verbrechen?

Und siehe/ daß du mir in allen trauen darfst/

So lobt ich meine Glut/ und pflegte wohl zu sprechen:

Ich liebe Tugendhafft/ und liebe was mich liebt/

Diß ist mein Paradieß/ so mir der Himmel giebt.


Ich liebe/ wie man nur in Unschuld lieben kan/

Ich find ein schönes Kind/ mit ihr ein neues Leben.

Ich bete sie fast mehr/ als wie den Himmel an/

Mir kan ein Liebes Kuß das gröste Labsal geben.

Die Tugend bleibt hierbey der Hertzen Unterpfand/

Ich liebe sie/ sie mich/ und beyde mit Verstand.


Doch da die Schlange so in meinen Busen schlich/

Und mein sonst kaltes Hertz die Flammen wolte mehren/

Versetzte sie der Brust den nie geglaubten Stich.

Es muste Gifft und Pein die heißen Adern nehren.

Und endlich merck ich erst/ daß dieses gantz gewiß/

Was dein erfahrner Mund mir vormahls hören ließ.


Mein sonst Vergnügter Geist war allzeit mißvergnügt/

Er labte sich nicht mehr an keuschen Freundschaffts-Küßen.

Die Wolluft hatte mich nun gantz und gar besiegt.

Ich wolte noch was mehr und etwas rarers wißen.

Und als die freche Faust verbohtne Rosen brach/

Verlacht ich doch den Dorn/ der mein Gewißen stach.
[209]

Der gantz verirrte Sinn hieß annoch alles gut.

Vergib/ ich werde sie hinfort Syrene nennen.

Denn da ihr gantzes wohl auf ihrem Nahmen ruht:

Befiehlt mir der Respect, es niemand zu bekennen.

Ja das/ was ich und sie noch ferner hin gethan/

Zeigt unsre Fehler zwar/ doch wenig Tugend an.


Wir lebten also noch in unsrer Liebe fort.

Syrene, und ihr Winck/ vermochten mich zu lencken/

Da/ wo Syrene war/ diß hieß mein schönster Ort.

Zu letzt beliebte sie mir ihr Portrait zu schencken.

In meinen Augen war sie gantz alleine schön.

Und kurtz/ nun wolte Glück und Fall beysammen stehn.


Der Wechsel/ welcher uns am angenehmsten ist/

Der Unbestand so meist bey allen Schönen wohnet.

Die Zeit/ die offt was Treu und redlich heißt/ vergißt/

Und alles/ was die Brust mit eitel Schmertz belohnet/

Fand sich auch noch zu letzt bey unsern Lieben ein/

Und musten mehr vor mich als tausend Hencker seyn.


Nun stürtzte mich das Glück vom Anmuhts-Gipfel rab/

Vor mein gelobtes Land must ich die Wüsten sehen.

Syrene zog nun mehr der Falschheit Masque ab/

Es hieß ihr Wanckelmuht mich ins Verderben gehen.

Und was Potiphara mit Joseph dort gethan/

Fieng sie hernach mit mir/ nur etwas klüger an.


Es sagt ein guter Freund/ so mich aufrichtig liebt/

Sie pflege seine Hand an ihre Brust zu drücken.

Was bey Syrenen diß nun zu erkennen giebt/

Hierein/ versichert er/ kan er sich selbst nicht schicken.

Sie ist vergnügt/ wenn sie in seinen Armen ruht/

Und mißvergnügt/ wenn er nur etwas blöde thut.
[210]

Wiewohl es schweigt der Kiel/ da sonst mein redlich Hertz/

Bey der Erinnerung sich fast zu weit vergehet.

M – – diese Brust hegt annoch vielen Schmertz.

Doch da ein anderer bey jener schönen stehet:

So schlag' ich mir mit Recht Syrenen aus dem Sinn/

Da ich nicht gantz allein in ihrem Hertzen bin.


Es muß ein edler Geist sein eigner Meister seyn/

Es mag Syrene gleich so Mund als Brust verpachten:

Mein Leben bleibt hierdurch von Wollust-Flecken rein.

Ich will nunmehr mit Lust Großmühtig sie verachten

Gnug/ daß ihr leichter Sinn/ der auch zu Stümpern steigt/

Mir nun den rechten Weg zur wahren Klugheit zeigt.


So fieng sich Wehrter Freund/ die erste Neigung an:

So hatte kaum der Mund das Honig-seim genoßen/

Da spürt ich bald darauf/ wie Galle schmecken kan/

Und wie aus Amors Baum offt faule Zweige sproßen.

Und endlich hab ich nun mehr als zu spät erkennt:

Daß Klugheit schlechter Rauch/ wo Liebes-Feuer brennt.


Gewiß/ ich werde so/ als wie die meisten klug.

Mein Schaden muß mich auch zu Wahrer Kenntniß bringen.

Durch schnöder Wollust-Trieb/ durch Weiblichen Betrug/

Muß ich mich an den Pol Wahrhaffter Tugend schwingen.

Verdient mein Lieben gleich gar einen schlechten Preiß:

So hilfft es doch/ daß ich/ was gut und böse/ weiß.


Man spricht von alle dem/ als wie ein kleines Kind/

Das nichts wahrhafftes weiß/ und dennoch etwas nennet/

Wo nicht Erfahrenheit und Wißen einig sind/

Wo man die Tugend nicht/ so wie die Liebe kennet.

Die Tugend/ die verhaßt/ wenn Amor uns vergnugt/

Hat bey dem Klügsten offt am Ende noch gesiegt.
[211]

Allein/ mein Hertzens-Freund/ aus Tugend wird hinfort

Der Liebe schlauer Trieb nicht in dem Hertzen rasen.

Ich suche nun mit dir der Tugend sichern Port.

Verstand und Klugheit soll in meine Seegel blasen.

Es geht mein Schiff nicht mehr nach Amors-Scillen hin/

So lang ich unter dir/ und ein Matrose bin.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 208-212.
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