Uber alle beyde

[191] Ihr seyd einander gleich an Ehr und Ruhm zu schätzen.

Ihr seyd einander gleich in täglichen Ergetzen/

Drum wundert es mich sehr/ weil gleich und gleich sich liebt/

Daß ein so gleiches Paar so große Feindschafft übt.

Natürlich singt ihr schön; der Tugend nach wie Eulen/

Die in der Finsterniß erbärmlich schreyn und heulen.

Drum streitet nicht darum; je besser eine singt/

Je häßlicher der Thon in keuschen Ohren klingt.[191]

Die eine sey so schön/ als Venus anzuschauen.

Die Venus lebte nie; ihr Bild war nur gehauen;

Bloß ward sie vorgestellt; Ihr Hertz war harter Stein/

Und war so tod als die/ die ohne Tugend seyn.

Du aber/ die sich itzt will einen Engel nennen/

Wird einst des Himmels-Strahl in deiner Seelen brennen:

So mahlest du gewiß dein vorig Bildniß hin/

Mit dieser Engels-Schrifft: fleuch eine Sängerin.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 191-192.
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