An den Herrn geheimden Rath Stryk uber die Vermählung des Hn. Hoff-Rath Stryken mit Tit. Jungfer Uffelmannin

[226] Die Musen, die Vergnügt und mit Ergebenheit

Auf ihren großen Stryk/ ihr Geist auf seine Schrifften/

Ihr Hertz gen Himmel sieht/ und da den Weyrauch streut/

Daß Gott ein ewig Hauß den Seinen möge stifften/

Betrachteten den Stand/ in dem sein theurer Sohn

Viel kluge Kinder zeugt/ doch keine Leibes Erben/

Und klagten: Trägt der Preiß Gelehrter diß davon/

Zu leben nur in uns/ und selbst in sich zu sterben!

Wenn Solon, Balduin, wenn Paulus, Ulpian,

Noch mehr/ wenn unser Stryk in Büchern gleich gebauet/

Was die gelehrte Welt nie satt erlernen kan/

Die auch im Tod auf Ihn/ als ihr Oracul schauet:

So sind wir doch betrübt/ wenn sein Gedächtniß nicht/

Die Seele/ welche nur wird ihres gleichen zeugen/

Vermittelst durch den Sohn in weitre Zweige bricht/

Und Stryken aus der Krafft der Stryken wieder steigen.


Die Tugend/ welche zwar den Musen anverwandt/

Doch immer auf den Geist/ der ewig lebet/ siehet/

Allein des Leibes-Lust/ der Liebe süssen Brand/

Als ein gefährlich Meer entflammter Seelen fliehet/

Verwarf der Musen Wunsch/ und sprach: kein Mensch erweißt/

Daß Stryk nicht fort gepflantzt. Wer vor Glückseligkeiten/

Damit der große Mann euch und die Nachwelt speißt/

Statt danckens sich beklagt/ hat Tugend nicht zur Seiten.[226]

Was wolt ihr mehr von Ihm? mehr Erben sprechet ihr;

Und derer sind so viel/ als würdig ihn gehöret.

Stellt seine Bücher euch als lauter Kinder für/

Die einst die Nachwelt noch vor ihre Väter ehret.

Daß durch die Barbarey/ daß durch der Feinde Wuht

Nach der Verheerung auch Athen in uns noch lebet;

Daß Griechen-Land nach Mord und viel vergoßnem Blut

Noch als ein freyer Marckt der Künste vor uns schwebet;

Machts/ daß ein Solon hat auf Leibes-Frucht gezielt?

Daß Plato, Socrates auf Kinder sich beflissen?

Mit denen hätt' ihr Feind/ wie mit der Stadt gespielt/

Und ihre Väter auch in Staub und Tod gerissen.

So aber leben sie durch ihres Geistes Krafft;

In Büchern die umsonst die Barbarey bestritten.

Wer glaubet/ daß ein Weib die Ewigkeit verschafft/

Der hat den rechten Sporn der Tugend nicht gelitten.

In Schrifften lebt mein Stryk/ und in dem theuren Sohn.

Sein theurer Sohn durch ihn/ und in gelehrten Leuten.

Wenn die die Zeit begräbt/ so wird man Phœbus Thron

So wird man selbst der Welt ein Grabmahl zubereiten.


Herr Hoffrath Stryck vernahm den Streit von bey den wohl.

Sein Eyfer brand in Ihm/ den Büchern obzuliegen.

Mit seinem Nahmen gieng sein Hertz zum Sternen Pol/

Nichts aber schien Ihn mehr auf Erden zu vergnügen.

Darum so siel er auch der strengen Tugend bey/

Und suchte zwar durch sich des Vaters Aehnlichkeiten/

So wie die Trauben dort des Zeuxis Mahlerey/

Doch nicht durch eine Frau lebhafftig auszubreiten.


Die Pallas, Gratien und Amor suchten Ihn

Auf aller Musen Wunsch von diesem Schluß zu lencken.

Er nahm sie willig auf/ nur Amor muste fliehn/

Ihr bitten war umsonst/ ihr einen Blick zu schencken.

Wenn/ sieng der Pallas Mund nebst ihren Schwestern an/

Ein Hochberühmter Sohn des Vaters Ehren Wagen[227]

In unverdroßnen Fleiß biß zu der Sternen-Bahn

Durch Tyger-schnellen Lauf will folgen und erjagen/

So deucht uns/ es besteht nicht die Unsterblichkeit

In dem/ daß vor der Zeit ich dieser Welt absterbe;

Zu treiben allzusehr/ was mir den Geist zerstreut;

Hingegen nicht zu thun/ wodurch ich Krafft erwerbe.

Das ist/ Hochwehrter Stryk/ du liebst die Ruhe nicht/

Die auf die Arbeits-Last kan Stärckungs Balsam geben/

Die der gelehrten Welt so viele Krafft verspricht/

So viel ein schwacher kriegt von wahren Nectar-Reben.

Wer ohne Wissenschafft zwar immer müßig ist/

Hat sich und seinen Ruhm schon lebend eingegraben;

Doch wen die Arbeit offt/ die Ruhe selten grüßt/

Bey dem will Leib und Geist bald ein Begräbniß haben.

Viermahl verändert sich in einem Jahr die Zeit;

Und ein Gelehrter muß im Sommer seiner Strahlen

Zuweilen sein Gemüth in reiner Freudigkeit/

Wie Flora ihren Lentz mit frischen Blumen mahlen.

Will der nun eingesperrt/ und eingekerckert seyn/

Der gleichwohl sich zum Ruhm so weit gereißt gewesen?

Weiß zur Veränderung mein Stryk denn gantz allein

In Teutschland keinen Ort/ der trefflich auszulesen?


Hierauf schlug Pallas Ihm das große Hamburg vor;

Das auch der theure Mann vor andern hat erwehlet.

Doch Amor gieng voraus: es rief der Musen-Chor:

Ach/ daß Ihn wiederum der Liebe Macht beseelet!

Ja/ gab die Liebe drauf/ es wird des Himmels-Hand

Durch mich die keusche Glut/ der Reinsten Ihr empfinden/

Der ersten Menschen Trieb/ des Paradieses Brand

In kurtzen wiederum in seiner Brust entzünden.

Nach Hamburg geht mein Stryk/ und da ist schon erkiest/

Was sein Gemüthe wird/ wie seine Sinnen rühren/

Und/ wenn sein Augenstrahl nun solches in sich schließt/

Der reinen Liebe Werth Ihm dann zu Hertzen führen.

Die Uffelmannin ist mehr Tugendhafft als schön/

Und schön/ als ob Sie nur an Schönheit hoch zu schätzen.[228]

Durch diese soll sein Geist bald überzeugt gestehn:

Daß holde Frauen auch Gelehrter Krafft ersetzen;

Daß ehe man die Burg der Ewigkeit ersteigt/

Uns frische Geister offt am Wege stärcken müssen;

Und mancher Weise sich so störrisch nicht erzeigt/

Wenn manchmahl sein Geblüt sich können so versüssen;

Daß/ wenn man durch den Kiel gleich fortgepflantzet wird/

Ein süsser Trost doch sey/ wenn wir durch edle Frauen

Der Seelen Wanderung/ wovon Pythagor irrt/

In ächten Kindern auch zugleich behauptet schauen.


Da nun Herr Hoffrath Stryk die Hammons-Burg er blickt

Hat Amor in Gestalt der Uffelmannin Augen

Ihm seinen Geist gerührt/ sein Hertze so entzückt/

Als ob Er bloß aus Ihr sein Leben müsse saugen.

Die Tugend/ die sich erst der Liebe wiedersetzt/

Rief: Unvergleichliche/ dir gönn' ich das Vergnügen.

Bestricke meinen Stryk; wer saget wohl zuletzt:

Ob Schönheit/ oder ich in dir am meisten siegen?

Die Ehe/ welche nur der Sternen Rath beschließt/

Durch deren Schluß diß Paar einander ist gewogen/

Durch die in ihr Gemüth ein gleiches Wollen fließt/

Ward in erwünschtem Glück und höchster Lust vollzogen.

In aller Musen Brust entstund ein Jubel-Fest/

Der Himmel wünschten sie/ schenck Euch so vielen Seegen/

Euch letze/ trefflichs Paar/ so offt ein Anmuths-West/

Als Seufzer sich in uns vor unsre Stryken regen;

Du großer Stryk vor dich/ Gott möge lange Zeit

Dir Krafft zu unserm Heil/ dem Sohn die Gnad erzeigen/

Daß sich dein Saame noch so vieler Erben freut/

Als kluge Kinder dir aus deiner Stirne steigen.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 226-229.
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