Cantate von dem Winter

[59] Der Winter sey so unbeqvem/

Man schimpfe seine kalten Tage:

So ist er mir doch angenehm.

Hat jede Jahres Zeit

Nicht ihre Plage?

Der Frühling ist voll Unbeständigkeit/

Der Sommer ist zu heiß/

Der Herbst hat ungesunde Winde.

Wenn ich die Sonne nicht im Winter finde/

So suchet Phœbus meinen Fleiß.

Er setzet sich zu mir beym warmen Ofen

Er weiset mir/ wo Schätze seyn.

Er schläget nach/ er hilfft mir ein.

Er führet mir die Hand/

Und öfnet mir im dunckeln den Verstand.

Gefällig ist er auch dabey/

Er fliehet nicht/ wie Bienen vor dem Rauche/

Er stellt mir frey/

Daß ich ein Pfeifgen Toback schmauche.


Aria.


Du beliebte Winters Zeit/

Da es frieret/ da es schneyt/

Da wir in die Stuben müssen.

Die im Winter fleißig seyn/

Wird Fortuna insgemein

Im vergnügten Sommer küssen.


Nun Phœbus bleibe denn bey mir/

Der Winter sey gepriesen:

Der Sommer hat mich oft von dir

Zum Bacho auf das Land gewiesen.


[60] Aria.


Glückseelig/ der den Grund gelegt/

Der Früchte der Vergnügung trägt.

Der Weißheit lässet auf sich schneyen/

Der seine Zeit so zugebracht/

Daß nach der rauhen Winters Nacht

Er sich des Sommers kan erfreuen.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 59-61.
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