Erster Auftritt.

[53] ANDREAS HOFER allein. Keine Nachricht von außen! der Feind an allen Pässen rings herum! Wir sind wie lebendig begraben. Wäre nur Eisenstecken zurück! – Und Joseph und der Rotbart sind mir auch nicht zur Seite, wie ich dachte; ein jeder hat seinen andern Sinn. Es ist ein böser Zustand! Wenn mir zu bang wird, dann rufe ich: es ist doch so eine ehrliche Sache! und lege die Hand auf die Brust, und fühle, wie das Herz sich regt, und meine, wir müßten's ausführen; aber wenn ich dann wieder um mich her blicke, ist aller Mut weg.

SPECKBACHER tritt wild ein. Hier so in Ruhe? Schreibst Mandate, daß die Weiber sich züchtig kleiden sollen? Versöhnst Eheleute? Daß dich!

HOFER. Gott bewahre mich vor dir! Was hast du?

SPECKBACHER. Sprachst du ihn?

HOFER. Wen?

SPECKBACHER. Eisenstecken.

HOFER. Ist er zurück?

SPECKBACHER. Eben.

HOFER. Gottlob! Was macht der Kaiser?

SPECKBACHER geht grimmig umher. Der Kaiser? – befindet sich wohl! – Der Kaiser! – Er hat den Kaiser nicht gesprochen.[53]

HOFER. Nicht gesprochen? und meine Botschaft?

SPECKBACHER. War unnötig. Vierzehn Stunden von Kaisers Lager kehrte er um.

HOFER. Du sprichst wie ein Verrückter!

SPECKBACHER. Ich wollte, ich wär' ein schlechter Wildschütz geblieben, wollt', ich hätte mich auf Raub gelegt und Wegelagerung, wollte, daß ich meinen Vater erschlagen hätte, so würde es mir wohlgehn, und ich würde lange leben auf Erden!

HOFER. Speckbacher!

VOLK dringt herein. O Vater Hofer, verlaß uns nicht!

HOFER. Rückt der Herzog wieder vor?

SPECKBACHER.

Stöhnt, wie der Hirsch, der angeschoss'ne, ächzet,

Wie Rosse, die der Sommerhitz' erliegen!

Brüllt, gleich dem beilgetroffnen Stiere! Pflückt

Die Blumen alle von den Hüten! Werft

Sie in das Grab der tapfern Toten! Reißt

Die Federn ab, und streut sie in die Winde!

HOFER.

Ich bin der Oberkommandant, und will

Gefaßte Meldung haben.

SPECKBACHER hohnlachend.

So? da ist sie!

Die Grafschaft ward zerrissen in drei Fetzen,

Zu Bayern kommt der eine, zu Illyrien

Der andre, und der dritte kommt zu Welschland!

HOFER.

Du Gott! Welch Teufel kann das?

SPECKBACHER.

Seidne Teufel!

'S ist Friede!

HOFER. Friede?

VOLK. Wehe!

HASPINGER ist eingetreten.

Qual und Pein!

Die Welt ist in erschrecklicher Verwirrung!

Das hold'ste Wort, das süßeste auf Erden,

Das Friedenswort, das alte Greise sonst

Verjüngt und sie die Krücken werfen läßt,[54]

Tönt unsern bangen Ohren greulicher,

Als der Verdammung Richterspruch!

HOFER.

Und wir,

Wir, Speckbacher, sind in dem Pakt –

SPECKBACHER. Vergessen!

HOFER. Das ist nicht wahr!

SPECKBACHER. Sprich Eisenstecken.

HOFER.

Ist

'ne faule Lüge!

SPECKBACHER.

Sprich den Eisenstecken!

VOLK zu Hofer. Bleib unser Schirm!

HOFER.

Ihr habt den Schwur vom Sandwirt,

Der hält, was er gelobet. Das beiher!

Jetzt sag' ich euch, befehle, dies zu glauben:

Wenn Friede ist, so sind wir nicht vergessen.

Es ist 'ne Lüg', weil es unmöglich ist!

EIN TIROLER tritt ein. Zu Hofer.

Ein Offizier vom Vizekönig.

HOFER.

Was?

Was will der Offizier?

TIROLER. Dich sprechen.

HOFER. Mich? Ab. Die Übrigen folgen.


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 53-55.
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