Achter Auftritt.


[73] Andrea Hofer kommt über die Anhöhe mit gezogenem Schwert, Donay hinter ihm.


HOFER. Hörst du den Jammer der Weiber? Siehst du der Häuser Glut? Die Witwen und Waisen wandern aus zu den Verfluchten, und den Liebsten sucht die Braut.

DONAY. Guter Hofer!

HOFER. Laß mich! Wo ist der Brief, Donay?

DONAY. Er lag nicht zu Inspruck. Aber –

HOFER kommt von der Anhöhe herunter. Betrogen! Mit lispelndem Wort getäuscht! Sie wollten ins Land sich schleichen! Auf, Donay!

DONAY. Besinne dich!

ELSI. Das ist der Hofer! Gott beschütze uns! Komm Bärbel! Sie stehen auf.

BÄRBEL. Wer zeucht mich von dieser Stätte? – Seht! Seht! Aus Moosen strecken sich krallige Finger empor! Das sind nicht Wurzeln der Bäume, sind Zehen und Sohlen der Füße! Der Fels wird Fleisch und klopft und dampft! Vom Himmel herab gebrochne Augen, da, dort und hier! Und überall!

HOFER. Über das Bergjoch rollt's! Kanonen und Troß! Und die Züge geharnischter Reiter! Horch, horch, den[73] Hufschlag, und das Lachen unbändiger Krieger! Auf, Donay, zum Sturm!

DONAY. Geht weg, ihr Weiber! Euer Anblick macht ihn noch wilder!

BÄRBEL. Wie groß bist worden, Heinrich!

WEIB die Ferne blickend. Da stürzt der Schupfen zusammen!

ELSI. Hilfe! Mir wird schwach – Sie sinkt nieder.

BÄRBEL. Was fehlt der Frau?

HOFER. Geh durch die Gauen! Sprich, der falsche Hofer habe Unterwerfung geboten, der wahre sei auferstanden von den Toten, gleich dem Bräut'gam des Bärbels von Wilten! Dies ist das Schlachtfeld am Isel! Da haben die Tiroler Anno Neun den Herzog geschlagen; es ist lang her. Und laß die Schelme zu mir kommen, und die Diebe und die Mörder, mit den andern wollt's nicht gelingen! Auf! Krieg, Krieg durch das Land! Ich will werben gehn. Er geht.

DONAY. Hofer! – Ich kann ihn nicht halten. Sturmglocken. O der Rasende! Da gehn die Glocken im Inntal. Ich muß ihn verlassen und angeben. Er geht ab.

Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 73-74.
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