Beilage – Babette an den Grafen Heinrich

[642] Sie stürmen und dringen an der Türe meines Zimmers, um mit mir zu reden; ich wiederhole, was ich Ihnen schon durch meinen Vater sagen ließ, daß ich nimmer mit Ihnen mehr spreche. Was Sie von mir zu erfahren haben, sei diesen Zeilen anvertraut.

Ich habe gestern die Absicht gehegt, mir das Leben zu nehmen, welches mir völlig gleichgültig ist, seit ich weiß, daß Sie ein unehrlicher Mann sind. Ich stieg auf die Spitze des Felsens hinter der Burg, und wollte mich von seiner jähen Höhe hinunterstürzen in die schwarze Tiefe, daß da drunten mein zerbrochnes, blutiges Gebein von den Wogen des Waldstroms fortgeschwemmt werden möchte. Mein alter unglücklicher Vater war mir nachgegangen, und hat mich zurückgehalten.

Was er mir über die Sünde dieses Schrittes, soweit es nur mich allein betrifft, gesagt, habe ich nicht verstanden, denn mein Leben ist so ganz unnütz geworden, daß ich nur glauben kann, ein so verwelktes und zerknicktes Blütenblatt[642] werde am besten dahin getan, wo der Kehricht ist. Allein das zweite Leben, welches mein verfluchter Schoß empfangen, darüber darf ich allerdings nicht verfügen, ohne zur Mörderin zu werden. Hievon haben mich die Reden meines Vaters überzeugt.

Ich soll also nicht sterben und kann nicht leben. Ihren Antrag, sich scheiden zu lassen, und mich zu heiraten, verabscheue ich. Dadurch würde ich mir einen neuen Frevel aufladen, und mich an Ihrem Ehebruche beteiligen.

Meine Ehre will ich gleichwohl von Ihnen wiederhaben, und diese mir zu schaffen, gebiete ich Ihnen. Wie es geschieht, gilt mir gleich, ich bin völlig willenlos, alle Dinge sind mir recht, die geschehn, den einzigen Wunsch, den ich noch habe, zu erfüllen. Was man mir vorschlagen wird, es sei noch so fremd und widerwärtig, ich genehmige es schon jetzt, ohne es zu kennen.

Wenn Sie in dieser Beziehung etwas ausfindig machen, so haben Sie mir es zu melden, ohne Beisatz und Redensart, die mich von Ihnen anwidern, da ich Ihnen nichts mehr glaube, nicht einmal Reue und Scham.

Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 2, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 642-643.
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