§ 17

[480] Über die Sentenzen im Lustspiel


In den Elias-Mantel, den Schiller bei seiner Himmelfahrt fallen ließ, haben sich Trauerspiel- und Lustspieldichter als redliche Finder geteilt, um für ihre Bühnenleute den reich mit goldnen Sentenzentressen besetzten Mantel auszubrennen. Denn Sentenzen sagen viel und sind wahre alte, aus dem Munde der gotischen Figuren hangende Zettel. Kein Schriftsteller ist an Sentenzen und allgemeinen Bemerkungen über die Menschennatur reicher (Schiller am wenigsten) als Goethe in seiner – Prose; und doch behängt er mit diesen schweren Edelsteinen seine fliegenden Musen und seine unbekleideten Grazien nicht; – indes sei dieses nur eingeschaltet. – Im Lustspiel nun haben den Sentenzenprägern weder Plautus, noch Aristophanes nachgeahmt, noch Shakespeare, noch Molière, aber desto mehr lieben Kotzebue, Müllner, auch sogar Steigentesch die Sentenzen-Stickerei. Und doch versöhnt sich das Trauerspiel leichter mit allgemeinen Betrachtungen – weil große Ereignisse von selber Blick und Herz auf das Große und Allgemeine des Lebens richten – als das Lustspiel, wo die Reflexion nur als eine Satire auftreten kann. Da nun darin mit den allgemeinen Sätzen z.B. Männer die Weiber und diese jene verurteilen, kurz immer streitende Parteien einander: so hat man die Pein, über dieselben Menschen von einem satirischen Ja und Nein hin und her geworfen zu werden.[480]

Quelle:
Jean Paul: Werke. Band 5, München 1959–1963, S. 480-481.
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