10.[52] 1

Wie stark, wie treu mein Herze dich verehret,

Für welch ein Glück es deine Huld sich schätzt,

Hat noch kein Lied, o Freundinn, dich gelehret,

So sehr mich auch die Dichtkunst sonst ergötzt.

Zu zeitig wird mit falschheitsvollen Schwüren

Der Schönen Huld oft Dichtern zugeneigt:

Das wünscht' ich nie; drum hab' ich, dich zu rühren,

Dir eh' mein Herz, als meinen Witz gezeigt.


Beneide nicht berühmter Schönen Menge,

Von deren Preis so manches Lied erzählt,

Erfüllt ihr Lob unzählige Gesänge,

So zeigt es oft, wie merklich sie gefehlt.[52]

Die matte Gluth nur unschuldsvoller Triebe,

Pflegt wenigmal der Dichter Gluth zu seyn.

Ein feurig Lied, voll Zärtlichkeit und Liebe,

Sieht man nicht oft der strengsten Tugend weyhn.


So rühm ich nicht, Geliebte, deine Güte

Durch einen Reim, der deine Tugend kränkt.

Ich fand in dir das schätzbarste Gemüthe,

Das zärtlich fühlt, wenn es erhaben denkt:

Das bey der Lust der angenehmsten Triebe

Nie seinen Werth noch seine Pflicht vergißt,

Und gleich so stark an Tugend, als an Liebe,

So voller Gluth; wie voller Unschuld küßt.


Ein kluger Geist, den Witz und Kenntniß zieret,

Ein zärtlich Herz, von edlen Trieben voll,

Sind, was bey dir, Vollkommne, mich gerühret,

Und was mich dir auf ewig fesseln soll.

Verschmäh' mit mir, was Thoren soll beglücken,

Nur eitle Pracht, um Gold nur feile Lust:

Der Weisheit Reiz, der Liebe sanft Entzücken

Sind unser Glück, und jenen unbewußt.


Fußnoten

1 Siehe zu dieser und der nächstfolgenden Elegie die Einleitung zur dreizehnten


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 52-53.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Elegieen
Elegieen