15. An Herrn Hofrath Richter in Göttingen, beym Tode seiner ersten Ehegattinn

[61] Von Elend unterdrückt, und überschwemmt mit Blut,

Durch Feinde, die es rief, und seiner Söhne Wuth,

Sangst du Germanien; es fühlt in deinen Klagen

Die späte Nachwelt noch das Weh von unsern Tagen.


O Richter! wenn hinauf, wo deine Freundinn lebt,

Fast unzufrieden sich dein thränend Aug' erhebt,

Wenn dir kein Tag so schwarz, als jener Tag erscheinet,

Seit dem dein Mitleid nicht bey ihren Schmerzen weinet,

So denk': Wie manchen Tag die nächste Zeit erblickt,

Der Seelen schaarenweis aus unsrer Welt geschickt,

Um den der Gottheit hier entweyhtes Lob erklungen,

Doch nur der Völker Ach vor ihren Thron gedrungen.

Denk' an so manche Noth, an jenes arme Land,

Wo Städte freundschaftlich ein helfend Heer verbrannt.

Gefühl von fremder Qual wird eignen Kummer schwächen,

Der Mensch, der Patriot, mehr als der Wittwer sprechen.


Auch kennt des Leidens Maaß, das Er dir zugetheilt,

Er, der den Kriegen steu'rt, der Erde Brüche heilt,

Und, wenn Geduld sich nur, wie Er befiehlt, gewöhnet,

Sie tröstend hier erquickt, und dorten gnädig krönet.


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 61-62.
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