6. An Se. Excellenz Herrn Ernst Christoph, des H.R.R. Grafen von Manteufel

[91] als selbiger 1743 sein akademisches Jubelfest feyerte1


Im Namen der Leipziger deutschen Gesellschaft2.


Graf! dein erhabner Blick lenkt sich mit gleicher Kraft

Auf ganzer Länder Wohl, auf's Reich der Wissenschaft,

Und was wir einzeln sonst in großen Geistern preisen,

Sehn wir bey dir vereint, den Staatsmann und den Weisen.


Geschäfte höh'rer Art benehmen sonst die Zeit

Und Lust zur Wissenschaft, wenn man dem Staat sich weyht.

Doch, Graf, dein Trieb war stark, der dich zur Weisheit lenkte,

Nicht bey dem Aeußern blieb, sich in die Tiefen senkte,

Zeit für gelehrten Fleiß bey hohen Aemtern fand,

Und mit des Hofes Pracht der Weisheit Lust verband.[91]

Du kennst, du fühlest selbst das reizende Vergnügen,

Wahn, Irrthum, Dunkelheit und Zweifel zu besiegen,

Den Werth des Alterthums verehrend einzusehn,

Die Wahrheit neuer Zeit vernünftig zu verstehn,

Im Denken Gründlichkeit, im Ausdruck Witz zu zeigen,

Vor Andern, wie an Stand, an Kenntniß auch zu steigen.


Da du dies kennst und fühlst, was Wunder, daß dein Geist

Den Freunden der Vernunft so viele Huld erweist,

Des Standes Größe gleich des Wissens Größe setzet,

Bey Reinbeck's Tode klagt, und Wolfens Freundschaft schätzet?


Die Huld erniedrigt nicht, die man Gelehrten schenkt;

Horaz macht, daß man noch an den Mäcen gedenkt;

Viel andern Fürsten gleich, wär Gelon auch vergessen,

Lehrt' Archimed ihn nicht die Zahl des Sandes messen;

Eugen, den Deutschland noch als seinen Schutzgott kennt,

Ist mehr noch, als ein Held, wenn ihn ein Leibnitz nennt.

Zum Ruhm der Königinn läßt uns der Brite lesen,

Sie sey im Wissen groß, und Clarken hold gewesen.


O Graf, so wird dein Ruhm auch noch dadurch vermehrt,

Daß sich auf Philuris dein Blick voll Gnade kehrt;

Und da er ihr Bemühn so nah', so scharf bemerket,

Den Fleiß in jeder Brust durch Ehrbegierde stärket.


Der Vorsicht Güte selbst sieht es gefällig an,

Was deine Gegenwart für Nutzen stiften kann,

Und unterstützt das Glück, das sie auf Leipzig lenket,

Durch Gnade, die sie sonst den Menschen seltner schenket.

Sie, deren Schluß den Lauf der Sterblichen umzirkt,

Sieht, was dein Beyspiel hier bey unsern Musen wirkt,

Verlängert auch darum dein sonst schon theures Leben,

(O red' ich nicht zu stolz?) dich länger uns zu geben.


Wer liebt die Weisheit wohl, und wird nicht jetzt entzückt,

Graf, wenn er diesen Tag, dein großes Fest, erblickt?

Den Tag, der Leipzig's Ruhm vor ihren Schwestern hebet,

Dergleichen wohl kein Sitz der Wissenschaft erlebet.[92]

Auch unser deutsches Chor erhebt sich, weil es weiß,

Du senkst ein gnädig Aug' auf seinen stillen Fleiß,

Und schätzest deiner Huld, da sie Gelehrte liebet,

Auch einen Deutschen werth, der Deutschlands Mundart übet.

Dich zeigt Germanien, als einen Mäcenat,

Dem seiner Künste Flor sehr viel zu danken hat,

Wenn es der Fremde schmäht, daß Sprache, Kunst und Wissen

Hier nicht, wie anderswo, der Großen Schutz genießen.


O flamme viele noch durch edles Beyspiel an,

Zeig' ihnen, was den Ruhm der Deutschen heben kann!


Mit nichts vermag sich dir die Dankbarkeit zu zeigen,

Als daß sie für dein Wohl läßt treue Wünsche steigen,

Und, wenn der Vorsicht Hand mit Segen dich erfüllt,

Von ehrfurchtsvoller Lust ihr frohes Herze quillt.

Du selbsten bist vergnügt, dir Herzen zu verbinden:

Nichts kann der Weisheit Freund sonst zärtlicher empfinden.


Fußnoten

1 S. Beschreibung der akademischen Jubelfeyer Sr. Excellenz etc. Leipzig 1743. 4.


2 Dieses Gelegenheitsgedicht hat eine Menge Verse, von denen ich jetzt nicht sagen kann, daß ich sie wünschte nicht gemacht zu haben, sondern vielmehr, daß ich sie vielleicht wirklich nicht gemacht habe. Diejenigen, in deren Namen ich sprach (sie sind nun meistens todt), fanden zu meinem großen Verdrusse manche Verbesserungen, bald der Deutlichkeit wegen, bald aus andern Ursachen, nöthig.


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 91-93.
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